Direkt zum Inhalt

Diversity am Pranger? Warum Inklusion jetzt Zahlen braucht

Diversity

Ein Beitrag basierend auf einem LSZ-Interview mit Victoria Klug (Beiersdorf CEE) und Sebastian Brettl (myAbility)

Die Rückkehr des Rückschritts

Hello Trump, Helló Orbán, Hallo Rückschritt. Rechte, die über Jahrzehnte erkämpft wurden, etwa im Bereich Gender oder LGBTQIA*, sind heute weltweit erneut unter Druck geraten. Politische Polarisierung, wirtschaftliche Unsicherheiten und ein gesellschaftlicher Rechtsruck sorgen dafür, dass Diversity-Agenden vielerorts nicht mehr nur ignoriert, sondern aktiv bekämpft werden.

Paradoxerweise geschieht das in einer Zeit, in der Unternehmen wohl mehr denn je auf Vielfalt angewiesen sind, um innovationsfähig, resilient und attraktiv zu bleiben. Doch wie gelingt es, Inklusion in Zeiten des Gegenwinds nicht nur zu behaupten, sondern strukturell zu verankern? Zwei Expert:innen aus der LSZ-Community geben Antworten: Victoria Klug, HR Director Eastern Europe bei Beiersdorf CEE und Sebastian Brettl, Head of Inclusive Business Development von myAbility.

HR muss gesamtgesellschaftlich wirken

„Ich glaube fest daran, dass HR nicht mehr länger nur auf Prozesse und Dynamiken innerhalb des Unternehmens schauen sollte, sondern auch gesamtgesellschaftlich einen Impact leisten muss.“ (Victoria Klug, HR Director Eastern Europe, Beiersdorf CEE)

Für die HR-Leaderin Victoria Klug ist klar: HR trägt Verantwortung – nicht nur intern, sondern auch im gesellschaftlichen Kontext. Diese Haltung spiegelt sich in einer Diversity-, Equity- & Inclusion (DE&I)-Strategie von Beiersdorf wider, die gezielt auf strukturelle Verankerung statt punktueller Maßnahmen setzt. Klug im Interview: „Wenn wir unterschiedliche Lebensrealitäten in unsere Arbeit einbeziehen, gestalten wir nicht nur eine inklusivere Gesellschaft mit, wir stärken auch unsere Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit.“

Konkret setzt Beiersdorf auf datenbasierte Steuerung. Neben der firmeninternen Engagement Survey, in der in regelmäßigen Abständen KPI’s wie Führungsqualität im Hinblick auf Diversität und Inklusion gemessen wird, kommt das Kompass-Tool von myAbility zum Einsatz. Dieses Tool misst und identifiziert im Bereich Inklusion von Menschen mit Behinderungen konkret Stärken sowie Barrieren in den Bereichen Strategie, Kommunikation, Learning, Rekrutierung, Gesundheit und Wohlbefinden - und liefert damit die Grundlage für gezielte Maßnahmen und messbare Fortschritte.

Was ich messen kann, kann ich steuern

„Wir sehen die Messung von Inklusion vor allem als strategischen Vorteil, welche die Sprache des Managements spricht. Was ich messen kann, kann ich steuern.“ (Sebastian Brettl, Head of Inclusive Business Development, myAbility)

Sebastian Brettl weiß aus der Praxis: „Auf unternehmerischer Ebene muss in erster Linie das wirtschaftliche Potential einer oft übersehen Personengruppe erkannt werden. Wir leben nun einmal in einer Wirtschaftswelt, in der man sich einen Return-on-Investment erwartet.“ Wer Inklusion nicht als Feigenblatt, sondern als fixen Bestanteil moderner Unternehmenskultur bringen will, muss sie auch messen können. Denn nur was sich quantifizieren lässt, findet dauerhaft Eingang in Entscheidungsprozesse, gerade auf Managementebene.

Brettl begleitet Unternehmen auf dem Weg zu inklusiveren HR-Strukturen mit Fokus auf Menschen mit Behinderungen. Sein Argument: „Wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft – das ist ein Fakt und kein Trend. Gerade in unserem Kernthema – Inklusion von Menschen mit Behinderungen – sprechen wir von 18,6 % (EUROSTAT, 2023) der EU-Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, die mit einer Behinderung leben. Das sind über 50 Millionen Menschen, jede 5 Person als potenzielle Mitarbeiter:in oder Kund:in. Somit ist es für uns eine Frage der betriebswirtschaftlichen Verantwortung, ob ich als Unternehmen dieses Potential nutze oder nicht.“

Dabei geht es nicht nur um bauliche Barrieren, sondern um grundlegende Fragen der Organisationskultur und -strategie. Brettl empfiehlt, Inklusionsfortschritte systematisch entlang von vier Kernbereichen zu erfassen: Barrierefreiheit, Recruiting, Bewusstsein und Kompetenz sowie Netzwerkbildung. Die gewonnenen Daten dienen nicht nur zur internen Steuerung oder Standortbestimmung, sondern stärken die Glaubwürdigkeit nach außen – insbesondere im Employer Branding. Denn Unternehmen, die Vielfalt nicht nur behaupten, sondern nachweislich fördern, wirken attraktiver auf Talente und glaubwürdiger im Markt.

Mehr Informationen dazu gibt es beim FUTURE OF WORK-Kongress, wo Victoria Klug und Sebastian Brettl einen Workshop zum Thema „Diversity-Backslash & Inklusion? Nachhaltige Verankerung durch messbare Inklusions-KPIs“ halten werden. Jetzt noch Ticket sichern!

Außerdem gibt es ein kostenloses Whitepaper von myAbility.

Inklusion beginnt bei Leadership

„Ich sehe es als zentrales Element der Führungskräfteentwicklung, kritisches und langfristiges Denken zu schulen und auf systemische Kollaboration zu schauen.“ (Victoria Klug, Beiersdorf CEE)

Inklusion passiert nicht von allein, sie braucht Menschen, die Verantwortung übernehmen. Für Victoria Klug ist klar: Führungskräfte spielen dabei eine Schlüsselrolle. Sie sind Multiplikator:innen von Kultur und Wertehaltung, prägen die Zusammenarbeit in Teams und entscheiden oft ganz konkret darüber, wer sich zugehörig fühlt und wer nicht.

Deshalb setzt Beiersdorf bei der Entwicklung seiner Führungskräfte auf themenspezifische Trainings für Führungskräfte auf allen Unternehmensebenen. Klug erklärt, welche weiter drei konkreten Ziele diese haben:

1) Bildungs- und Aufklärungsarbeit gegenüber Führungskräften

2) Erschaffen einer gemeinsamen Sprache, um aufeinander zuzugehen und dem oft bekannten Gefühl von „Was darf ich sagen?“ entgegenzuwirken und

3) echten Dialog untereinander zu schaffen.

Hier geht’s zu NIVEA Unlimited 2.0 Studie, die sich mit Akzeptanz und Inklusion am Arbeitsplatz in Österreich auseinandersetzt.

Führung wird so zur Schnittstelle zwischen Haltung und Handlung und zu einem entscheidenden Hebel für echte Inklusion. Diese Perspektive teilt auch Sebastian Brettl von myAbility: „Wer offen und aktiv in den Austausch geht, wird schnell merken, dass man manchmal Opfer der eigenen Vorurteile wird.“

Der Schlüssel liegt in der Bereitschaft zur Auseinandersetzung. Führung, die Inklusion ernst nimmt, stellt Fragen, hört zu und lernt. Nicht nur über andere, sondern auch über sich selbst.

Perspektivwechsel statt Perfektionismus

„Führungskräfte haben oft fehlendes Wissen, das zu Missverständnissen führt. Sie denken, dass Mitarbeitende mit Behinderungen weniger leisten. Dabei sehen wir mit den richtigen Rahmenbedingungen keinen Unterschied.“ (Sebastian Brettl, myAbility)

Nicht Behinderungen sind die größte Barriere im (Arbeits-)Alltag von Menschen mit Behinderungen, sondern fehlende Berührungspunkte, Vorurteile und Annahmen, die nie hinterfragt wurden. Für Sebastian Brettl ist klar: Viele Führungskräfte agieren nicht aus Ablehnung, sondern aus Unsicherheit. Umso wichtiger sei es, dass Unternehmen einen Raum schaffen, in dem Fragen gestellt und Erfahrungen geteilt werden dürfen, ohne direkt bewertet zu werden.

Statt über Menschen mit Behinderungen zu sprechen, müsse man sie aktiv einbinden – in Prozesse, Entscheidungen und Gestaltungsspielräume. Denn nur so entstehe ein ehrliches Bild davon, was Inklusion im Arbeitsalltag wirklich braucht.

Gerade im Bereich DE&I braucht es heute nicht die perfekte Außenwirkung, sondern glaubwürdige Kommunikation über das, was ist und das, was noch fehlt: „Die Zeiten in denen man sich als Top-of-the-Top positioniert hat sind längst vorbei. Das neue Motto sollte sein: Offen, ehrlich und authentisch,“ so Brettl.

Unternehmen, die klar sagen: „Wir sind auf dem Weg – und arbeiten daran“, schaffen Vertrauen. In einer Welt, in der Transparenz mehr zählt als Imagepflege ohne Haltung, wird genau das zur Stärke. HR wird damit zur Brücke zwischen Anspruch und Realität und zur Gestalterin eines echten Kulturwandels.

Inklusion als Zukunftsstrategie

Inklusion ist keine Randthema, sondern ein integraler Bestandteil zukunftsorientierter HR-Arbeit. Unternehmen, die sie messen, leben und kommunizieren, stärken nicht nur ihre Innovationskraft, sie gestalten aktiv eine resilientere, gerechtere Arbeitswelt.

Oder um es mit Victoria Klug zu sagen: „Es braucht Vordenker:innen, die Altbekanntes hinterfragen und somit ständige Treiber von Change und Innovation sind. Und ganz wichtig: dabei auch den Optimismus und Spaß nicht verlieren.“

Mehr zu echter und nachhaltig verankerter Inklusion in Unternehmen gibt es im Workshop zum Thema „Diversity-Backslash & Inklusion? Nachhaltige Verankerung durch messbare Inklusions-KPIs“ von Victoria Klug und Sebastian Brettl beim FUTURE OF WORK-Kongress von in Bad Loipersdorf. Jetzt Ticket sichern!