Die Art, wie wir Informationen suchen, verändert sich gerade grundlegend – und kaum jemand scheint das volle Ausmaß dieser Veränderung zu erkennen. Während viele Unternehmen ihre Websites noch liebevoll für Google-Schlüsselwörter optimieren, wenden sich immer mehr Nutzer direkt an KI-Systeme wie ChatGPT, Perplexity oder Claude. Was das bedeutet? Dass SEO, wie wir es kannten, langsam verblasst. Und dass „GEO“ – Generative Engine Optimization – der neue Maßstab für Sichtbarkeit in der KI-Ära wird.
Ich habe mit Lukas Görög gesprochen, dem Gründer der Akademie für Künstliche Intelligenz (https://www.akademie-ki.com/) in Wien. Für ihn ist klar: Wer digital relevant bleiben möchte, muss verstehen, wie Künstliche Intelligenz Inhalte filtert, auswählt – und wie sie lernt, was „gut“ ist. GEO ist kein Buzzword. Es ist die Eintrittskarte in eine Zukunft, in der KI-Systeme zu Gatekeepern unserer Informationskultur werden.
Das Ende des klassischen Googelns – und was danach kommt
Die gute Nachricht zuerst: Menschen suchen nach wie vor Informationen. Die schlechte: Sie suchen nicht mehr bei Google. Zumindest nicht ausschließlich. Immer häufiger beginnen Suchen mit Prompts in Chatbots. Was diese Systeme als Antwort liefern, basiert nicht mehr auf einer Liste von Links, sondern auf einer kuratierten, synthetisierten Zusammenfassung – generiert aus dem, was das Modell zuvor gelernt hat. Wer dort nicht vorkommt, existiert für viele schlichtweg nicht mehr.
Für Unternehmen bedeutet das: Es reicht nicht mehr, bei Google auf Seite eins zu landen. Es geht darum, verstanden zu werden – von Maschinen. GEO wird zur Frage der digitalen Existenz.
Warum GEO ein Weckruf ist – nicht nur für Marketingabteilungen
Lukas bringt es auf den Punkt: „Die Modelle lernen aus dem offenen Web. Aber sie antworten, als wären sie ein Mensch.“ Und das verändert alles. Denn damit verschiebt sich der Kommunikationsfokus: Weg vom „Push“-Marketing, hin zur präzisen Beantwortung echter Nutzerfragen.
Das ist mehr als eine technische Spielerei. GEO bedeutet auch, unternehmerische Inhalte neu zu denken – entlang von Relevanz, Klarheit und Kontext. Die Webseite wird nicht mehr als digitale Visitenkarte verstanden, sondern als „Trainingsmaterial“ für KI-Systeme.
Es braucht neue Rollen in Unternehmen, neue Kompetenzen – und vor allem: ein neues Verständnis für digitale Relevanz. GEO ist nicht die Fortsetzung von SEO mit anderen Mitteln. Es ist ein Paradigmenwechsel.
Wie sich unser Verhalten verändert – und was das für Organisationen bedeutet
Der gesellschaftliche Impact? Enorm. Wenn Menschen weniger googeln und stattdessen „sprechen“ – mit KI –, dann verändert das nicht nur das Suchverhalten, sondern auch das Vertrauen in Quellen. Chatbots erscheinen neutral, allwissend, objektiv. Doch was, wenn sie nur aus einem fragmentierten Teil der Realität schöpfen?
Für Organisationen wird es entscheidend, wiederauffindbar zu bleiben. Und zwar dort, wo Entscheidungen getroffen werden: in der Inbox eines Entscheidungsträgers, im Prompt-Feld einer HR-Managerin oder im Suchfenster einer jungen Bewerberin. GEO bedeutet, Inhalte so aufzubereiten, dass sie nicht nur durch Menschen, sondern durch Maschinen als relevant erkannt werden – weil genau dort die erste Selektion erfolgt.
Drei Hebel für den Einstieg in GEO
Die gute Nachricht: GEO ist kein Hexenwerk. Wer starten will, sollte folgende Hebel kennen:
- Nutzerzentrierter Content: Welche Fragen stellen eure Zielgruppen wirklich – und wie könnt ihr sie möglichst klar, direkt und strukturiert beantworten? (Tipp: Think like a Prompt.)
- Strukturierte Formate: FAQ-Seiten, How-to-Guides und semantisch gut aufbereitete Inhalte werden von KI-Systemen besser verarbeitet. Denkt in Informationshäppchen, nicht in Marketingfloskeln.
- Technologische Anschlussfähigkeit: Systeme wie WordPress lassen sich mit einfachen Plugins „GEO-fit“ machen. Wichtig ist nicht der große Relaunch – sondern kluge, kleinteilige Optimierung.
GEO als strategischer Imperativ – auch ethisch betrachtet
Was dabei oft vergessen wird: Die Mechanismen, nach denen KI entscheidet, welche Inhalte gezeigt werden, sind nicht öffentlich. Es entsteht eine neue Form der Sichtbarkeitsökonomie – eine, die noch intransparenter ist als der Google-Algorithmus. Wer hier nicht frühzeitig lernt, mitzudenken (und mitzugestalten), wird schnell abgehängt.
Für uns als Gesellschaft stellt sich die Frage: Wollen wir, dass generative Systeme definieren, welche Informationen „wichtig“ sind? Oder schaffen wir es, unsere Inhalte so aufzubereiten, dass Vielfalt, Kontext und Tiefe auch in der neuen Suchlogik erhalten bleiben?
Gerade in Europa, wo Werte wie Transparenz, Pluralität und Informationsfreiheit hochgehalten werden, ist GEO auch eine politische Aufgabe: Es geht um digitale Selbstbestimmung – und darum, nicht nur sichtbar, sondern wirksam zu bleiben.
Fazit: Die Zukunft wird prompt – und GEO zeigt den Weg dorthin
Was wie eine Nischenstrategie für Marketingverantwortliche klingt, entpuppt sich als strategischer Hebel für alle, die in der digitalen Welt etwas bewegen wollen. GEO ist kein Tool. Es ist ein Mindset. Eines, das verlangt, sich mit der Art und Weise auseinanderzusetzen, wie Menschen in Zukunft Informationen finden, Entscheidungen treffen und Vertrauen aufbauen.
Ob Unternehmen, Bildungseinrichtung oder NGO – die Frage ist nicht, ob GEO wichtig wird. Die Frage ist, ob wir bereit sind, unsere Kommunikation so zu gestalten, dass sie auch im Zeitalter der Generativen KI Bestand hat.
Denn Sichtbarkeit ist Macht. Und Macht beginnt heute mit einem gut formulierten Prompt.