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Familienplanung als Karrierefaktor: Den richtigen Zeitpunkt finden

Kinderwunsch

Viele Mitarbeitende tragen den Wunsch nach einem Kind lange im Kopf, bevor sie ihn laut aussprechen. Dabei ist die Familienplanung mehr als ein privates Thema: Sie beeinflusst Zielen, Timing und Motivation im Job. Die Frage „Wann ist der richtige Moment?“ begleitet viele Karriereschritte und wird doch selten thematisiert. Statt nur Vereinbarkeit zu diskutieren, sollten HR-Verantwortliche bereits beim ersten Gedanken an Nachwuchs einen Raum für strategische Lebensplanung schaffen.

Mit diesem Ansatz rücken nicht nur flexible Modelle in den Fokus, sondern auch das Selbstverständnis: Mitarbeitende dürfen ambitionierte Karriereziele verfolgen und parallel Elternschaft planen – ohne Schuldgefühle oder Tabus.

Im Spannungsfeld von Wunsch und Wirklichkeit

Anna, Anfang 30 und ambitionierte Projektmanagerin, fühlt sich hin- und hergerissen. Auf der einen Seite steht ihr beruflicher Ehrgeiz, auf der anderen ihr Wunsch nach einem Kind. Michael, High-Potential in der HR-Abteilung, träumt davon, später seinem Nachwuchs die ersten Schritte beizubringen, fürchtet jedoch, seine hart erarbeiteten Karrierechancen aufs Spiel zu setzen. Beide erleben denselben Konflikt: Der Gedanke an Familie wird bereits weit vor dem ersten Krabbelkurs zum emotionalen Balanceakt.

Kinderwunsch als Karrierkompass
Der Kinderwunsch entfaltet als innerer Kompass eine direkte Wirkung auf berufliche Weichenstellungen und prägt persönliche Entwicklungsziele gleichermaßen. In Österreich sind 20 %–40 % der Frauen kinderlos, wobei nur ein Viertel dies bewusst entscheidet. Der überwiegende Teil betrifft ungewollte Kinderlosigkeit, die sowohl emotional als auch organisatorisch stark belastet, wie eine Studie von ÖAW, Universität Wien und Universität Salzburg zeigt.

Biologie trifft Beruf: Warum Timing zählt
Das biologische Fenster für den Kinderwunsch fällt bei vielen Frauen in eine Zeit, in der sie beruflich gerade durchstarten. Studien belegen, dass die Fruchtbarkeit bis zum Alter von 35 Jahren am höchsten ist und danach mit etwa 15 bis 25 Prozent pro Jahr abnimmt. Gleichzeitig finden Karrierehöhepunkte häufig genau in diesem Lebensabschnitt statt. Ein zu spätes Planen kann ungewollte Pausen erfordern, während eine frühe Familiengründung ohne begleitende HR-Unterstützung Rückschritte bedeuten kann.

In Österreich liegt die durchschnittliche Gesamtfruchtbarkeitsrate (TFR) aktuell bei nur rund 1,43 Kindern pro Frau – deutlich unter dem Reproduktionsniveau von 2,1. Dieser demografische Trend unterstreicht, wie wichtig es ist, Mitarbeiterinnen aktiv in ihrer Lebensplanung zu unterstützen.

Talent-Reviews, die nicht nur Kompetenzen, sondern auch Lebensentwürfe thematisieren, eröffnen deshalb einen geschützten Raum für individuelle Zeitfenster. So wird Familienplanung von Anfang an Teil der strategischen Personalentwicklung., die nicht nur Kompetenzen, sondern auch Lebensentwürfe thematisieren, eröffnen deshalb einen geschützten Raum für individuelle Zeitfenster. So wird Familienplanung von Anfang an Teil der strategischen Personalentwicklung.

Psychologische Erlaubnis: Die unsichtbare Kraft der Unternehmenskultur
Sabina Haas, Psychologin und Karriereberaterin, bringt es auf den Punkt: „Der Kinderwunsch gehört zur ganzheitlichen Lebens- und Karriereplanung. Er sollte wie eine Weiterbildung behandelt werden: mit klaren Angeboten, Vertraulichkeit und der Gewissheit, dass das Unternehmen diesen Lebensabschnitt aktiv begleitet.“

Erlaubnis entsteht, wenn Unternehmen Kultur und Sprache so gestalten, dass Mitarbeitende spüren, ihre Wünsche seien willkommen. Wenn Führungskräfte in internen Formaten wie Podcasts offen von ihren Erfahrungen mit Kinderwunsch und Elternzeit berichten, lösen sie Tabus. Ein Vorbild aus der Praxis berichtet, wie ein Gespräch über persönliche Planungsprozesse das gesamte Team dazu ermutigte, sensibel und unterstützend über Familienplanung zu sprechen.

Ebenso wichtig sind vertrauliche Career-Check-Ins, bei denen Führungskräfte sensibel nach den Lebensplänen ihrer Mitarbeitenden fragen. Ein solcher Ansatz zeigt, dass Karriere und Kinderwunsch nicht konkurrieren, sondern sich ergänzen können.

 

Organisationale Erlaubnis: Rahmen und Routinen

Um das „Ja“ zu Kinderwunsch und Karriere nachhaltig zu verankern, braucht es mehr als gute Absichten. Automatisierte Informationspakete bieten Mitarbeitenden jederzeit einen Überblick über gesetzliche Rechte, betriebliche Angebote und externe Beratungsressourcen.

Möglich wäre ein kompaktes Workshop-Format, das psychologische Reflexion und praxisorientierte Tools miteinander aufgreift: In interaktiven Übungen entstehen individuelle Roadmaps, die Karriereschritte und Familienplanung Hand in Hand abbilden. Damit erhalten Mitarbeitende einen persönlichen Fahrplan, der maßgeschneiderte Impulse für jeden Lebensabschnitt liefert.

Darüber hinaus empfiehlt sich, Entwicklungsprogramme in kleinen, flexiblen Modulen zu konzipieren. Diese passen sich dem Lebensrhythmus junger Eltern an, ohne dass sie das Gefühl haben, berufliche Weiterbildung aufzuschieben.

Vertiefende Fallstudie: Karriere- und Kinderwunsch-Sprint

Ein internationaler IT-Dienstleister hat ein halbtägiges Sprint-Format eingeführt, in dem Mitarbeitende zunächst die wissenschaftlichen Grundlagen zu Fruchtbarkeit und beruflicher Entwicklung kennenlernen. 

Im kompakten Workshop-Format arbeiten Führungskräfte und Talente gemeinsam an der strategischen Verknüpfung von Familienplanung und Karriere. Themen sind:

  • Frühzeitige Kommunikation mit Führungsteams

  • Erstellung persönlicher Lebensphasen-Roadmaps

  • Nachbereitung mit Peer-Coaching im kollegialen Austausch

Teilnehmende erhalten konkrete Methoden, um individuellen Zielen und organisationalen Anforderungen gerecht zu werden. 

Das Ergebnis: Über 80 Prozent der Teilnehmenden gaben an, sich im Umgang mit ihren Lebensplänen deutlich sicherer zu fühlen. Unerwartete Abwesenheiten sanken um fast 20 Prozent und die emotionale Bindung an das Unternehmen verbesserte sich spürbar.

Stigmatisierung abbauen – eine Frage der Kultur

Ob IVF-Behandlungen oder der erste Termin beim Fruchtbarkeitsspezialisten – Mitarbeitende legen solche Termine oft heimlich, um Ausgrenzung zu vermeiden. Dieses Tabu wirkt sich direkt auf die psychische Gesundheit und die Arbeitszufriedenheit aus.

Role Models und transparente Kommunikation
Ein offenes Bekenntnis von Führungskräften zum Kinderwunsch wirkt entstigmatisierend: Wenn C-Level-Mitglieder etwa in internen Podcasts oder Town-Hall-Meetings authentisch über ihre Familienplanung berichten, entsteht ein Klima des Vertrauens. Mentoring-Circles, in denen werdende Eltern Erfahrungen austauschen, fördern zudem den Perspektivwechsel und entlasten HR-Teams langfristig.

HR-Teams sind hier gefragt, eine Kultur zu etablieren, in der persönliche Lebensphasen offen und ohne Stigma besprochen werden können. Vertrauliche Gesprächsformate, Mentoring-Gruppen und externe Beratungsangebote sind wirksame Instrumente.

Konkrete Maßnahmen für HR

Um Vereinbarkeit ganzheitlich zu denken, bieten sich folgende Bausteine an:

  1. Frühe Dialogangebote
    – Bereits in der Recruiting-Phase Familien- und Lebensphasen thematisieren.
    – Individuelle Karriere-Checks, die Fragen zur Familienplanung integrieren.
  2. Flexible Arbeitsmodelle
    – Teilzeit-Leadership, Job-Sharing in Führungspositionen.
    – Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice-Pools, um spontane Betreuungsengpässe abzufedern
  3. Ethik und Transparenz
    – Vertraulichkeit garantieren, Daten anonymisiert auswerten
    – Klare Guidelines: wer übernimmt welche Kosten?
  4. Ferienbetreuungs­unterstützung
    – Finanzielle Zuschüsse oder Gutscheine für Sommer- und Herbstferiencamps.
    – Partnerschaften mit lokalen Anbietern, um Kapazitäten zu sichern.
  5. Externe Expertise im HR-Portal
    – Verlinkung zu familienrechtlichen Infos und psychosozialen Beratungsstellen.
    – Kostenfreie digitale Sprechstunden mit Karriereberater:innen 

 

Ein Blick in die Praxis

In einem österreichischen Mittelstandsunternehmen wurden kürzlich digitale Sprechstunden mit einer Mentorin für berufliche und private Weichenstellungen eingeführt. Mitarbeitende können hier in einem geschützten Rahmen Fragen zur Fruchtbarkeit, zu medizinischen Abläufen oder zu Wiedereinstiegsstrategien klären. Die Rückmeldung zeigt: 85 % der Teilnehmenden fühlen sich dadurch sicherer im Umgang mit ihrer persönlichen Planung – und engagieren sich motivierter im Arbeitsalltag.

Ausblick: Nachhaltigkeit statt Schnellschuss

Viele Unternehmen schätzen den Wert von Diversität für ihr Unternehmen und ihren Business-Erfolg. Sie investieren viel in die Ausbildung und Weiterentwicklung junger weiblicher Talente. Und doch leben diese nicht immer ihr volles Potenzial in ihrem Beruf. Next-Level-Vereinbarkeit ist ein fortlaufender Prozess. Studien belegen, dass Unternehmen mit ganzheitlichen Familien-Programmen weniger Fluktuation und höhere Mitarbeiter:innenzufriedenheit erreichen. 

Vom Impuls zur Institution
Damit Vereinbarkeit kein Projekt, sondern gelebte Praxis wird, braucht es einen langfristigen Fahrplan: Definieren Sie jährliche KPI-Ziele zur „Vereinbarkeits-Quote“, integrieren Sie Feedback-Loops in Mitarbeiter:innen-Befragungen und machen Sie Kinderwunsch-Themen zu einem fixen Agenda-Punkt in der HR Business Partnerschaft. Ein praxisorientiertes Workshop-Format mit einer erfahrenen Psychologin und Karriereberaterin unterstützt Sie dabei, diese Strategien über rein theoretische Konzepte hinaus in Ihren Unternehmensalltag zu verankern und Führungskräfte wie Teams nachhaltig zu schulen.

Tipp am Rande: Diskutieren Sie diese Impulse beim Future of Work West (18.–19. September 2025) und beim Employee Experience Summit 2025 – und holen Sie sich neue Impulse für Ihre nachhaltige HR-Strategie!

Der nächste Workshop zum Thema Kinderwunsch und Karriere bei Sabina Haas und Nadine Izdebsk findet im Herbst 2025 statt.