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Fair und Equal Pay: Zwischen Ideal und Wirklichkeit

Grafik: Vicova/Shutterstock.com

Gerechte Bezahlung? Ja, aber bitte richtig.

Kaum ein Thema bringt so viele Erwartungen, Emotionen und systemische Fragen auf den Tisch wie Equal Pay. Klar ist: Wer heute Talente gewinnen und langfristig halten will, muss faire und nachvollziehbare Gehaltsstrukturen bieten. Doch was bedeutet „fair“ überhaupt? Und warum ist gerechte Bezahlung deutlich mehr als gleiche Zahlen auf dem Lohnzettel? Genau darüber sprachen beim FUTURE OF WORK-Kongress 2024 zwei, die es wissen müssen: Fred Mahringer, Senior Director HR bei A1 und Patricia Fürtbauer vom Fair Pay@A1-Team. (Anm. d. Red.: Fürtbauer ist seit März 2025 bei APG Austria als Compensation & Benefit Managerin tätig.)

Warum Fairness nicht nur eine Frage der Zahlen ist

Für Patricia Fürtbauer liegt die größte Herausforderung auf dem Weg zu Equal Pay in der Frage nach Fairness. „Nur weil man objektiv gleich bezahlt, gleich bewertet, heißt das noch lange nicht, dass es sich subjektiv für Mitarbeitende auch so anfühlt.“ Ihre Worte machen deutlich, dass gerechte Vergütung nicht bei der Excel-Tabelle endet.

Gerade weil es historisch gewachsene Schieflagen und blinde Flecken gibt, fühlt sich eine Korrektur für Einzelne manchmal wie ein Verlust an. Doch Fürtbauer betont: „Das Team und das Kerngeschäft profitieren, wenn das gesamte Vergütungssystem auf einem fairen Grundton basiert und transparent gestaltet ist“ - auch wenn das im Einzelfall unbequem sein kann.

Pay Gaps sind vielschichtig – und hartnäckig

Ob Geschlecht, Alter, Herkunft, Ausbildung, Behinderung oder sexuelle Identität – Unterschiede in der Vergütung existieren auf vielen Ebenen. Laut Eurostat beträgt der Gender Pay Gap in Österreich 18,3 % – einer der höchsten in Westeuropa.

Besonders problematisch: unbewusste Vorannahmen in Recruitingprozessen. Männer gelten als durchsetzungsstark, Frauen schnell als zu forsch – auch bei identischem Verhalten. A1 begegnet dem mit klaren Maßnahmen: Beispielsweise werden gezielt höhere Gehaltsvorschläge für Frauen eingebracht, um bestehende Ungleichgewichte abzufedern.

"Was ist eigentlich fair?"

Diese Frage stellt Fred Mahringer, Senior HR Director bei A1, ganz bewusst provokant. Denn Fairness sei nicht nur eine Gehaltsfrage, sondern auch eine Frage des Selbst- und Fremdbilds. Wer darf wie viel verdienen – und warum? Mahringer verweist auf gesellschaftliche Prägungen: „Als Buben werden wir darauf konditioniert, zu kämpfen und unser Revier zu verteidigen. Mädchen hingegen werden oft sozialisiert, kooperativ und brav zu sein.“ Solche Muster beeinflussen, wie wir verhandeln – und wie wir bewertet werden.

Die Frage der Fairness wirft für Unternehmen tiefgreifende Grundsatzfragen auf: Wie definieren wir Leistung? Welche Rollenbilder fließen unbewusst in unsere Bewertungen ein? Und welche Verantwortung tragen Organisationen dafür, gesellschaftlich gewachsene Ungleichgewichte nicht zu reproduzieren, sondern aktiv auszugleichen? 

„Es geht nicht darum, dass Organisationen absichtlich etwas falsch machen, sondern darum, wie wir alle sozialisiert wurden“, betont Mahringer. Wer Fairness ernst nimmt, kann sich nicht allein auf formale Gleichheit verlassen, sondern muss bestehende Strukturen hinterfragen, interne Machtverhältnisse offenlegen und bereit sein, aktiv umzusteuern. Nicht als moralisches Zugeständnis, sondern als strategischer Imperativ für eine nachhaltige Unternehmenskultur.

Transparenz als Werkzeug – nicht als Allheilmittel

„Transparenz ist ein Tool, kein Selbstläufer“, warnt Patricia Fürtbauer. Einfach Gehaltsdaten offenzulegen, reiche nicht – es brauche auch Strukturen und Kommunikationsstrategien, um damit sinnvoll umzugehen.

Auch Fred Mahringer sieht das ähnlich und verweist auf internationale Beispiele: „Ich kann mir momentan nicht vorstellen, dass wir in Österreich bald dort sind, wo man einfach sieht, was jeder verdient – dafür ist das Downsizing-Moment in der öffentlichen Debatte derzeit zu groß.“ Eine völlige Offenlegung von Gehältern, wie in manchen skandinavischen Ländern, könne schnell zu Neiddebatten führen, wenn sie nicht von einem reflektierten Umgang und klaren Einbettungen begleitet wird. „Da geht es dann nicht mehr um die Frage: Was ist der Job wert? Sondern nur noch darum: Warum verdient der oder die mehr als ich?“

Eine Studie (2023) der London School of Economics zeigt: Transparente Gehaltsstrukturen senken die Gender Pay Gap – vorausgesetzt, sie werden durch klare Prozesse begleitet.

Was HR jetzt konkret tun kann

Gerechte Bezahlung beginnt nicht mit der Lohnabrechnung – sondern mit Haltung, System und Konsequenz. Das bedeutet:

  • Lücken sichtbar machen: Datengestützte Analysen der Gehaltsstruktur.
  • Standards definieren: Objektive Bewertungskriterien und transparente Gehaltsbänder.
  • Bias erkennen und neutralisieren: Vom Recruiting bis zur Beförderung.
  • Führungskräfte befähigen: Schulungen und Guidelines für faire Vergütungsentscheidungen.

Equal Pay braucht Geduld – und klare Verantwortung

Gerechte Bezahlung lässt sich nicht verordnen – sie entsteht durch konsequente Analyse, offene Kommunikation und eine klare HR-Strategie. Der Weg dorthin ist selten frei von Reibung. Aber wer bereit ist, strukturelle Ungleichheiten zu benennen und mutige Entscheidungen zu treffen, legt den Grundstein für eine gerechtere Arbeitswelt und vor allem zufrieden „gebundene“ Mitarbeitende.

Fred Mahringer bringt es auf den Punkt: „Man kann sich nicht nur die Rosinen aus dem System picken – Fairness bedeutet auch, unbequeme Kompromisse mitzutragen. Aber wenn das Ziel klar ist, dann zahlt sich der Weg dorthin für alle aus.“

Mehr zu diesem und anderen HR-Themen gibt es beim FUTURE OF WORK-Kongress von 21.-22. Mai in Bad Loipersdorf. Jetzt Ticket sichern!