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Wertebasierte KI: Warum Ethik zum strategischen Erfolgsfaktor in KI wird

Tech Trendscout Kolumne

Einführung

Wenn wir heute über Künstliche Intelligenz (KI) sprechen, kreisen die Schlagworte häufig um unglaubliche Effizienzgewinne, smarte Automatisierung und das Potential, ganze Branchen auf den Kopf zu stellen. Doch während wir von einer nächsten Generation generativer KI hören, die Inhalte eigenständig erschafft, Texte analysiert und Bilder generiert, sind wir längst an einem Punkt, an dem die technologische Machbarkeit allein nicht mehr ausreicht. Vielmehr müssen wir die moralischen und ethischen Grundlagen definieren, auf denen diese Zukunft beruhen soll. 

Genau an dieser Nahtstelle treffen sich Technologie, Wirtschaft, Gesellschaft und Regulatorik: Wie stellen wir sicher, dass KI nicht nur zweckmäßig, sondern auch verantwortungsvoll, werteorientiert und nachhaltig eingesetzt wird?

Werte, Normen und gesellschaftlichen Auswirkungen

Als Trend Tech Scout habe ich in den letzten Jahren verfolgt, wie Unternehmen zunehmend erkennen, dass reine Technologiekompetenz nicht mehr ausreicht. Der Fokus verschiebt sich auf ein tieferes Verständnis von Werten, Normen und gesellschaftlichen Auswirkungen – und darauf, diese von Anfang an in die Entwicklung einzubetten. Nur so kann Vertrauen entstehen, das über kurzfristige Effekte hinausreicht.

Um mehr über die methodische Verankerung von Ethik in der KI-Entwicklung zu erfahren, habe ich mit Expertin Sabine Singer, gesprochen. Mit ihrem Unternehmen Sophisticated Simplicity - Österreichs erste Business Agentur für AI Ethics by design - unterstützt sie Unternehmen bei der systematischen Integration ethischer Prinzipien in Prozesse und Technologie.

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Interview mit einer Expertin zur Ethik in der KI-Entwicklung

Lisa Höllbacher:
Warum ist es gerade heute, in Zeiten generativer KI, entscheidend, ethische Prinzipien systematisch in den Entwicklungsprozess von KI-Systemen zu integrieren?


Sabine Singer:
Die Integration ethischer Prinzipien in die Entwicklung von KI-Systemen ist heute dringender denn je. Werte wie Transparenz, Erklärbarkeit und Fairness sind essenziell, um Vertrauen in KI zu schaffen, können jedoch nicht universell und abstrakt angewendet werden. Sie müssen für jeden KI-Use Case individuell und kontext-spezifisch definiert und justiert werden, damit wirklich nachhaltige und wertschöpfende Ergebnisse erzielt werden können.

Ein iterativer, wertebasierter Entwicklungsprozess ist dabei entscheidend: Zunächst wird eine klare KI-Vision formuliert, dann folgt ein Ideation-Prozess, in dem potenzielle Einsatzfelder kritisch geprüft und Wert- sowie Risikoanalysen eingebunden werden. So können ethische Stolpersteine frühzeitig identifiziert und mithilfe eines strukturierten Vorgehens direkt adressiert werden.

Lisa Höllbacher:
Welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile können durch den Einsatz von AI Ethics by Design erzielt werden, und wie hilft die Value-based Engineering-Methodik dabei, diese Potenziale zu realisieren?

Sabine Singer:
AI Ethics by Design ist mehr als nur ein Mittel zur Risikominderung – es ist ein strategisches Werkzeug, um nachhaltige wirtschaftliche und gesellschaftliche Werte zu schaffen. Unternehmen, die ethische Prinzipien in ihre KI-Entwicklung integrieren, profitieren von Wettbewerbsvorteilen, indem sie Vertrauen bei Kund:innen, Partner:innen und Stakeholdern aufbauen. Ein ethisch verantwortungsvoller Ansatz zeigt sich insbesondere in höherer Akzeptanz von KI-Lösungen und geringeren Widerständen, da potenzielle ethische Konflikte bereits im Entwicklungsprozess adressiert werden.

Die Methodik des Value-based Engineering (VbE), abgebildet in einem international anerkannten Standard ISO/IEC/IEEE 24748:7000, schafft dabei den entscheidenden Rahmen, um diese Vorteile zu realisieren. Sie ermöglicht es Unternehmen, ethische Prinzipien wie Transparenz, Fairness und Sicherheit systematisch und messbar in den gesamten Entwicklungsprozess zu integrieren. Dies geschieht durch eine iterative Abstimmung zwischen Stakeholdern und Teams sowie durch die frühzeitige Identifikation und Priorisierung von Werten und Risiken.

Ein praktisches Beispiel könnte etwa sein: durch VbE können Unternehmen sicherstellen, dass ein KI-basierter Chatbot nicht nur technisch korrekt funktioniert, sondern auch die Werte des Unternehmens – etwa Datenschutz und Fairness – spürbar vermittelt. Das Resultat sind somit KI-Lösungen, die nicht nur funktional, sondern auch gesellschaftlich und wirtschaftlich nachhaltig sind.

Lisa Höllbacher:
Welche Rolle spielen Führungskräfte wie CIOs, CTOs und CEOs bei der Implementierung von ethischen IT-Designprozessen, und wie können sie sicherstellen, dass diese Ansätze strategisch verankert sind?

Sabine Singer:
Führungskräfte spielen eine entscheidende Rolle in der KI-Transformation. Ein rein technologischer Fokus genügt dabei nicht. Noch immer scheitern viele digitale Projekte, weil der Business Value nicht realisiert wird oder Lösungen an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigehen. Stattdessen müssen Stakeholder – Mitarbeiter:innen, Kund:innen und Partner:innen – frühzeitig eingebunden werden.

Mit KI gewinnt diese Herausforderung an Tiefe: Sie durchdringt Systeme, Geräte und gesellschaftliche Strukturen. Erfolgsfaktor ist ein klarer, wertebasierter Unternehmskompass und verantwortungsvoller KI-Einsatz. Hier kommt Value-based Engineering (VbE) ins Spiel. Diese Methode hilft, aus Minimal Viable Products echte „Maximal Valuable Products“ zu machen, die technologisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich nachhaltig sind. VbE verbindet ethische Prinzipien mit strategischer Innovation und schafft Werte, die von Anfang an in das KI-Design einfließen.

Darüber hinaus sind neue Kompetenzen nötig, etwa beim Erstellen von System-Prompts für unternehmensspezifische KI-Anwendungen. Führungskräfte müssen lernen, diese „neue Sprache“ zu beherrschen, KI-Ergebnisse kritisch zu reflektieren und mit dem unternehmerischen Wertekompass abzugleichen. So kann KI ihr volles Potenzial als vertrauensbildendes Werkzeug für nachhaltigen Erfolg entfalten.

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Conclusio

Vertrauen als Währung

Die Frage nach Ethik in der KI-Entwicklung ist längst nicht mehr theoretisch, sondern im Kern unserer digitalen Transformation angekommen. „Ethik by Design“ bedeutet, ethische Leitlinien als integralen Bestandteil des Entwicklungsprozesses zu verstehen und nicht als nachträgliche Kontrollinstanz. Ob Transparenz, Fairness, Sicherheit oder Erklärbarkeit – diese Prinzipien werden zum strategischen Differenzierungsmerkmal in einem immer stärker umkämpften Markt, der Vertrauen als Währung betrachtet.

Gesellschaftliche Verantwortung

Die hier skizzierten Ansätze zeigen, dass Unternehmen mit bewussten, werteorientierten Entwicklungsprozessen nicht nur gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, sondern langfristig wirtschaftlichen Erfolg sichern. Wer frühzeitig die richtigen Leitlinien etabliert, die Stakeholder aktiv einbindet und bewährte Methodiken wie VbE nutzt, schafft die Basis für KI-Anwendungen, die nicht nur leistungsfähig, sondern auch nachhaltig tragfähig sind.

Mensch und Technologie im Einklang

So wird KI nicht zum Selbstzweck, sondern zum Motor für eine Zukunft, in der Technologie mit Mensch und Gesellschaft im Einklang steht – ein Erfolgsrezept, das weit über den nächsten technischen Trend hinausreicht.