Im zweiten Teil unseres Future of Work Experten Talk - Arbeitsrecht in Zeiten der Krise mit Rechtsanwalt Mag. Dr. Martin Huger thematisierten wir aktuelle Anpassungen des österreichischen Arbeitsrechts. Einschränkungen von Arbeitnehmeransprüchen, Abbau von Urlaub und Zeitguthaben sowie Arbeitsfreistellung sind nur einige Themen die wir intensiv behandelt haben.
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Rund 900.000 Menschen sind in Österreich gegenwärtig noch von der Arbeitsmarktkrise betroffen. Bereits im Mai 2020 sprach Rechtsanwalt Mag. Dr. Martin Huger im Zuge eines FOW-Webinars von den Schwierigkeiten und den Problematiken in Bezug auf das österreichische Arbeitsrecht. Im zweiten Teil unseres Future of Work Experten Talks erhielten die TeilnehmerInnen wertvolle Inputs und Infos zu den aktuellen Adaptionen und Anpassungen im Arbeitsrecht.
Die Schwerpunkte des Arbeitsrecht-Webinars
Welche Maßnahmen kann man ganz allgemein im Zusammenhang mit der Krise ergreifen? Laut dem Experten Dr. Martin Huger handelt es sich hierbei um Einschränkungen von ArbeitnehmerInnenansprüchen. Kostenreduktion sowie Zeitguthabenabbau und Urlaubsabbau waren die vordergründigen Themen. Auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nahm der erfahrene Rechtsanwalt ins Visier.
Es wird erwartet, dass die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise im Herbst dieses Jahres und auch noch im Jahr 2021 massiv sein werden. Darum ist es gemäß dem Arbeitsrechtsexperten so enorm wichtig, sich bereits jetzt Gedanken darüber zu machen, welche Maßnahmen man in Zukunft aus arbeitsrechtlicher Sicht setzen kann. Damit auch entsprechend viele Arbeitsverhältnisse erhalten werden können.
Einschränkung von ArbeitnehmerInnenansprüchen
Es hängt vom ArbeitgeberInnen ab. Haben sich diese gegenüber ihren Angestellten einen Unverbindlichkeitsvorbehalt eingeräumt, so wird verhindert, dass ArbeitnehmerInnen überhaupt einen Anspruch haben. Eine Leistung, eine Zahlung wird einmal gewährt, aber dann entfällt der Anspruch der Arbeitnehmenden. Wenn hingegen eine Leistung gewährt wurde und ein Anspruch gestellt, aber ein Widerruf für diese Leistung vorbehalten wurde, dann kann der/die ArbeitgeberIn einen Widerrufsvorbehalt ausüben. Dadurch kann das Bestehen dieses Anspruchs für die Zukunft verändert werden, zum Beispiel in Bezug auf eine Überstundenpauschale.
Die Verschlechterungsvereinbarung
Der Experte Martin Huger zeichnete drei mögliche Ausgangsszenarien auf:
- Einzelvertrag: Mit dem Einvernehmen der konkret betroffenen ArbeitnehmerInnen wird eine Verschlechterungsvereinbarung getroffen.
- Die freie Betriebsvereinbarung kann Bestandteil des Einzelvertrages sein, kann jedoch nur mit dem Einvernehmen des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin aufgehoben bzw. verändert werden.
- Echte Betriebsvereinbarung: Hier ist das Gegenüber nicht der/die ArbeitnehmerIn, sondern der Betriebsrat. Es gibt durchaus Möglichkeiten, um einzugreifen.
Die Änderungskündigung
Stimmt der/die ArbeitnehmerIn einer Kündigung nicht zu, dann hat der/die ArbeitsgeberIn die Möglichkeit, eine Änderungskündigung auszusprechen. Auf diese Weise kann er diese Änderung erzwingen. Der Experte zeigte hierzu zwei Varianten auf:
- Die auflösende Bedingung: Die Kündigung wurde vom Arbeitgebenden aus bereits verlautet. Stimmt der/sie aber dem Angebot zur Änderung des Arbeitsvertrages zu, wird die ausgesprochene Kündigung zurückgenommen.
- Binnen einer gesetzlichen Frist spricht der/die ArbeitgeberIn die Kündigung aus, sofern der/die ArbeitnehmerIn nicht bereit ist, dem Angebot bezüglich der Änderung des Arbeitsvertrages zuzustimmen. Es sind alle Formalitäten einer Kündigung genau zu beachten. Auch Änderungskündigungen können angefochten werden. Es sollte zudem auch der Versetzungsschutz berücksichtigt werden.
Abbau von Urlaubs- und Zeitguthaben
Grundsätzlich gilt: Der Urlaub ist immer einvernehmlich zu vereinbaren. Es gilt also, eine Vereinbarung zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn zu treffen, was den Beginn und das Ende der Urlaubszeit anbelangt. Es gibt zwar Ausnahmen, aber im gesetzlichen Regelfall kann der/die ArbeitgeberIn nicht einseitig Urlaub anordnen. Im Zuge der Corona-Krise aber wurde eine Ausnahmeregelung geschaffen, die befristet ist und mit dem 31.12.2020 außer Kraft tritt. Können ArbeitnehmerInnen aufgrund der COVID-19-Maßnahmen den Betrieb nicht physisch betreten und somit keine Leistungen erbringen, dann sind die Arbeitnehmenden verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitgebenden in der entsprechenden Zeit den Urlaub und/oder das Zeitguthaben zu verbrauchen.
Reduktion der Arbeitszeit
Der Abbau von Mehrarbeits- und Überstunden: ArbeitnehmerInnnen üben lediglich ihre normale Arbeit aus und es kommt zu keiner Aufforderung, Überstunden zu machen. So kommen auf das Unternehmen keine Mehrkosten dazu. Es kann aber durchaus auch ein Zeitausgleich vereinbart werden.
Die Vereinbarung der Teilzeit: Für eine gewisse Dauer kann in der Krise eine Teilzeitvereinbarung getroffen werden. In der Regel handelt es sich um eine befristete Vereinbarung der Teilzeit.
Die Corona-Kurzarbeit deckt gegenwärtig viel ab. Es gilt abzuwarten, wie die Kurzarbeit in Zukunft geregelt wird und ob sie verlängert wird. ArbeitnehmerInnen sollten während der reduzierten Arbeitszeit eine Fortbildung in Anspruch nehmen. Das wäre auch aus der Sicht des Experten eine durchaus sinnvolle Maßnahme zur Lösung des Problems „reduzierte Arbeitszeit“.
Freistellung, Karenz und Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Freistellungsanspruch der COVID-19-Risikogruppe: ArbeitnehmerInnen haben einen Freistellungsanspruch und den Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts. Außer die betroffene Person hat die Möglichkeit, die Leistungen im Homeoffice zu erbringen oder die Arbeitsstätte ist zu gefährlich, was die COVID-19-Ansteckung anbelangt. Der/Die ArbeitgeberIn hat einen Erstattungsanspruch.
- Die Vereinbarung eines Sabbaticals oder einer Karenz sowie einer Bildungskarenz ist möglich.
- Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Die Beendigung kann durch eine Kündigung erfolgen. Auch die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrages ist denkbar. Die verbindliche Regelung einer Wiederanstellung ist möglich, wobei ArbeitnehmerInnen nicht gezwungen werden können, die Arbeit im alten Unternehmen wieder aufzunehmen.
Fazit aus dem Vortrag von Rechtsanwalt Mag. Dr. Martin Huger zum Thema Arbeitsrecht:
Waren die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen bereits vor der Pandemie für viele BürgerInnen des Staates Österreichs schwer überschaubar, so sind sie bedingt durch die Corona-Krise noch viel schwerer zu erfassen. Der Experte und Rechtsanwalt Martin Huger lieferte den TeilnehmerInnen des Webinars wertvolle Inputs und Infos bezüglich der Lage des Arbeitsrechts in wirtschaftlich äußerst prekären Zeiten. Nicht immer verlaufen Arbeitsverhältnisse friktionsfrei (reibungslos/störungsfrei). Immer dort, wo Menschen beruflich zusammentreffen, herrschen unterschiedliche Ansichten und es entstehen Meinungsverschiedenheiten. Insbesondere in puncto Arbeitsrecht gilt es zukünftig vermehrt sensibel, verantwortungsbewusst und gesetzeskonform zu agieren.
Q&A zum Online Webinar zum Thema Arbeitsrecht
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Über Mag. Dr. Martin Huger, LL.M., Rechtsanwalt:
Martin Huger (Mag.iur. 2000; Dr.iur. 2006; LL.M. 2016) ist Rechtsanwalt und geschäftsführender Gesellschafter der HUGER Rechtsanwalts GmbH. Er berät in allen arbeitsrechtlichen Fragen, vertritt in arbeitsgerichtlichen Verfahren und publiziert und trägt regelmäßig zu arbeitsrechtlichen Themen vor. >> Martin.Huger@huger.at.
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