Salesforce-Chef Marc Benioff spricht derzeit nicht gerne über Geschäftszahlen. Viel lieber kündigt der für seine markigen Wort bekannte Manager die „Revolution der agentenbasierten KI“ an, getriebenen von den hauseigenen „Agentforce“-Produkten. Doch als Salesforce im September seine Quartalszahlen präsentierte, wurde klar, dass die Umsätze mit den KI-Agenten deutlich unter den hohen Erwartungen liegen. Auch der Ausblick blieb verhalten.
In einigen Wirtschafts- und IT-Medien wurde es daraufhin mal wieder laut. Weil zudem der Aktienkurs des CRM-Spezialisten seit Jahresbeginn um 29 Prozent eingebrochen war, sprachen Analysten schon von einem Warnsignal für die Tech-Branche. Denn auch wenn andere große Player wie Microsoft enorme Zuwächse im KI-Kontext verbuchen, ist Salesforce beileibe nicht der einzige Anbieter, der die hochgesteckten Erwartungen verfehlt.
Bleibt die große KI-Revolution also womöglich aus? Schließlich liegt auch in den Anwenderunternehmen noch vieles im Argen. Dass es nur die wenigsten GenAI-Piloten und -Experimente in den produktiven Betrieb schaffen, ist in Fachkreisen schon fast eine Binsenweisheit. Eine aktuelle CIO-Umfrage in der DACH-Region ergab, dass 73 Prozent der Unternehmen in Sachen GenAI noch durch das „Tal der Enttäuschungen“ müssen, bevor sich der Einsatz wirklich rechnet.
Zeigt all das nicht, dass der Hype um die generative KI maßlos übertrieben ist? Wird die KI-Blase bald platzen? Und was wären die Folgen?
Es kommt auf die Perspektive an. Wenn die Hoffnungen auf gigantische Gewinne zu absurd hohen Bewertungen von KI-Anbietern führen, können schon kleine negative Nachrichten oder enttäuschende Quartalszahlen dazu führen, dass Großanleger ihre Anteile abstoßen. Aus Anlegersicht drohen dann heftige Kursverluste, im schlimmsten Fall gar ein Börsen-Crash wie Anfang der 2000er-Jahre, als die Dotcom-Blase platzte. Auch andere Wirtschaftsbereiche könnten mitgerissen werden.
Für die meisten IT-ManagerInnen und CIOs mit KI-Plänen dürften die Auswirkungen aber überschaubar bleiben. Im besten Fall haben sie in ihren Unternehmen längst die Weichen auf KI und GenAI gestellt, Organisationen und Rollen in und außerhalb der IT verändert und entsprechende Policies und Regelwerke eingeführt. Schon jetzt übernehmen etwa Fachabteilungen mit KI-Hilfe tendenziell mehr Aufgaben in der (Weiter-)Entwicklung von Anwendungen.
Solche strukturellen Veränderungen wirken langfristig und blieben auch in Krisenzeiten bestehen. Platzt die Blase tatsächlich, würde der KI-Zug dennoch weiterfahren, wenn auch womöglich in anderem Tempo. Für die CIOs heißt es in Sachen KI also weiterhin, die Voraussetzungen für einen unternehmensweiten Einsatz zu schaffen: Datenqualität verbessern, Weiterbildung organisieren, über einen kulturellen Wandel das Mindset in Sachen KI-Nutzung verändern.
Zieht man den Vergleich mit der Dotcom-Blase und dem folgenden Crash, könnten IT-ChefInnen womöglich sogar profitieren: Beispielsweise von realistischeren Erwartungen an den produktiven KI-Einsatz. Und von KI-Anbietern, die praxistaugliche Innovationen liefern, statt wolkige Versprechen.
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