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Wird durch die Verordnung über künstliche Intelligenz die Innovation in der EU zu sehr eingeschränkt? Oder ist sie eine geeignete Grundlage für die Förderung und Verbreitung von sicherer, vertrauenswürdiger und menschenzentrierter KI? Wir haben Tünde Fülöp, Juristin für Digitalrecht bei der Arbeiterkammer Wien, um ihre Expertise zum Thema gebeten.
MAg. Tünde Fülöp, M.A. über KI-Innovation und Grundrechtsschutz:
Die technologische „Wasserscheide“ ChatGPT hat uns vorgeführt, welche Möglichkeiten, aber auch welche gesamtgesellschaftlichen Risiken KI-basierte Technologie haben kann. Das hat den europäischen Gesetzgeber vor massive Herausforderungen gestellt, der angesichts der rasanten technologischen Entwicklung und der dadurch bedingten notwendigen Flexibilität eine Gratwanderung zwischen Risikominimierung und Innovationsförderung unternommen hat. Von einer Vielzahl an Akteuren wurden unterschiedlichste Wünsche und Forderungen formuliert, die in zum Teil schwer verständliche Kompromisse mündeten. Dementsprechend komplex und auslegungsbedürftig ist die KI-Verordnung ausgefallen.
verantwortungsvolle Innovation
Das bedeutet allerdings nicht, dass es sich dabei um eine „Überregulierung“ handelt. Ob die KI-Verordnung einerseits Vorteile aus der technologischen Revolution schöpfen lässt, andererseits dabei Gesellschaft, öffentliche Interessen, Menschen und ihre Rechte nicht aus dem Auge verliert, hängt nämlich stark davon ab, wie die KI-VO angewandt wird. Mehr als einzelne Formulierungen der KI-VO werden politische Rahmenbedingungen und die konkrete Durchführung dafür ausschlaggebend sein, ob sich verantwortungsvolle Innovation und ethische KI-Systeme durchsetzen können.
Faktoren, die zum Erfolg beitragen können:
Rechtssicherheit durch schnelle Erlassung der durchführenden Bestimmungen auf EU- und mitgliedstaatlicher Ebene und baldigen Abschluss der Standardisierungsprozesse. Ausreichend Personal für nationalen Behörden, damit Verfahren schnell und effizient abgehandelt werden können. Genug Kapazitäten in den (noch zu schaffenden) KI-Reallaboren, Finanzierung für innovative Start-Ups, begleitende Innovationspolitik für „gute“ KI, die Ziele im öffentlichen Interesse verfolgt. Datenverfügbarkeit entsprechend der europäischen und der österreichischen Datenstrategie. Ob Anbieter und Betreiber von KI-Systemen eine menschenzentrierte Haltung im Sinne des digitalen Humanismus leiten wird.
Erfolg oder Misserfolg
Innovative Technologie wie künstliche Intelligenz ist nicht neutral oder unabhängig vom gesellschaftlichen, politischen oder regulatorischen Kontext. Ihre Wirkung ist davon abhängig, wie und unter welchen Rahmenbedingungen sie eingesetzt wird. Sie bedeutet nicht automatisch Effizienz, oder dass alle gleichermaßen profitieren. KI kann Massenarbeitslosigkeit und wachsende soziale Spannungen, oder aber Fortschritte in Klimaschutz und Medizin, angenehmere Arbeitsbedingungen, die Verkürzung der Arbeitszeit, und eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse für alle bewirken. Die KI-VO schafft dafür die Grundlagen, ihr Erfolg oder Misserfolg wird aber maßgeblich von ihrer Durchführung abhängen.
Tünde Fülöp können Sie das nächste Mal live beim CIO Kongress vom 20.-22. Oktober 2024 sowie beim AI Challenge Accepted! Summit am 26. November 2024 erleben!