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Künstliche Intelligenz ist längst mehr als ein Technologietrend. Auf staatlicher Ebene wird sie zu einer Voraussetzung für geopolitische Macht, wirtschaftlicher Ambitionen – und zunehmend auch ethischer Verantwortung. Während die großen Player USA und China mit Milliarden-Investitionen und klaren Strategien voranschreiten, suchen andere Länder Nischen um sich im globalen KI-Ökosystem zu positionieren. Zeit für einen Blick auf die globalen Hotspots – und auf die Rolle, die der DACH-Raum in diesem neuen Machtgefüge einnimmt.
USA und China: Systemkonkurrenz auf KI-Basis
Die Vereinigten Staaten setzen auf Innovationsdynamik durch Wettbewerb, globales Talent und massives Wagniskapital. Tech-Giganten wie OpenAI, Google DeepMind oder NVIDIA treiben KI-Fortschritte voran, während der Staat zunehmend regulierend und strategisch eingreift – etwa mit dem "CHIPS and Science Act". Im Silicon Valley ist KI kein Zukunftsprojekt, sondern Gegenwart.
China hingegen denkt KI als Staatsaufgabe: Mit dem "New Generation Artificial Intelligence Development Plan" zielt die Volksrepublik auf globale Technologieführerschaft bis 2030. Die Stärke liegt in der engen Verzahnung von Regierung, Industrie und Wissenschaft. In Smart Cities, in der Bildungssteuerung oder im Militär wird KI nicht nur pilotiert – sie wird skaliert. Zwei Modelle, zwei Welten – beide mit immenser Durchschlagskraft.
Eric Schmidt, Ex-Google-CEO, bringt es auf den Punkt: „We are in a technology race, and whoever wins AI will shape the future of the world.“
Aufstrebende Hotspots: Kleine Länder, große Wirkung
Abseits der Supermächte positionieren sich Länder wie Südkorea, Japan, Singapur oder das Vereinigte Königreich mit eigenen strategischen Schwerpunkten. Südkorea investiert gezielt in KI-Hardware und Chipentwicklung, Singapur setzt auf vertrauenswürdige KI in Industrie und Verwaltung. Japan verankert KI-Bildung systematisch im Schulsystem, während das UK mit regulatorischer Agilität punktet – ein Vorteil nach dem Brexit. Diese Länder verstehen sich als agile Innovationszentren, die gezielt Nischen besetzen und so globale Relevanz aufbauen.
Am Beispiel von Singapur und dem Vereinigte Königreich zeigt sich, wie sich gezielte Strategien in globale Sichtbarkeit übersetzen lassen:
positioniert sich als vertrauenswürdiger KI-Innovationsraum. Seit 2017 verfolgt der Stadtstaat eine nationale KI-Strategie mit klaren Anwendungsfeldern – von Healthcare über Mobilität bis zur öffentlichen Verwaltung. Das Erfolgsrezept: Reallabore, ethische Standards und ein intensiver Dialog zwischen Staat, Wirtschaft und Forschung. Statt allgemeiner Vision setzt Singapur auf konkrete Use Cases, etwa in der städtischen Verkehrssteuerung oder der pandemiebegleitenden Datenauswertung.
setzt auf strategische Regulierungskompetenz. Mit dem "Office for AI" und dem AI Safety Institute schafft das Land Strukturen, die KI nicht nur marktfähig, sondern auch gesellschaftlich verträglich machen sollen. London ist ein Zentrum für KI-Startups, gestützt durch Kapital, Hochschulen und regulatorische Beweglichkeit. Die Vision: Weltweite Führungsrolle in der sicheren Entwicklung von Foundation Models.
Europa: Zwischen ethischer Ambition und Umsetzungslücke
Europa denkt KI menschenzentriert. Mit dem AI Act will die EU Maßstäbe für vertrauenswürdige KI setzen – ein ethischer Gegenentwurf zu den dominanten Systemlogiken der USA und Chinas. Die EU investiert in Open Source, Infrastrukturprojekte wie EuroHPC und spezialisierte Cluster. Doch der Transfer aus Forschung in wirtschaftliche Anwendung bleibt oft Stückwerk. Venture Capital, digitale Souveränität und industrielle Skalierung fehlen vielerorts.
Ohne marktnahen Impact verliert Europa seine wissenschaftliche Exzellenz an Bedeutung.
DACH-Raum: Starke Grundlagen, schwacher Output
Die DACH-Region bringt ideale Voraussetzungen mit: Deutschlands Forschungslandschaft, Österreichs Agilität, die Innovationskultur der Schweiz. Aber: Diese Stärken greifen noch zu selten ineinander. Deutschland glänzt etwa mit Forschungsinstituten wie DFKI, TUM oder Fraunhofer – doch KMUs tun sich schwer mit Anwendungen und Umsetzungen.
Die Schweiz zeigt, wie es anders geht: Mit ETH Zürich, EPFL und einer dichten Start-up-Landschaft spielt sie global mit – trotz überschaubarer Größe. Vertrauen, Neutralität und eine hohe Umsetzungsgeschwindigkeit machen sie zum attraktiven Partner im globalen KI-Diskurs. In Zürich und Lausanne entstehen Unternehmen, die international Maßstäbe setzen.
Österreich: Viel Potenzial, wenig Sichtbarkeit
In Österreich ist das Bewusstsein für die strategische Relevanz von KI vorhanden – und es gibt klare Bestrebungen, ein europäischer KI-Hotspot zu werden. Die Förderlandschaft entwickelt sich, die Politik zeigt Willen. Aber: In der Umsetzung dominiert Zurückhaltung. KI findet oft in Nischen statt, vielen KMU fehlt der Zugang zu relevanter Infrastruktur, Expertise oder Daten. Statt skalierbarer Vorzeigeprojekte gibt es viele lose Enden.
Die Schweiz zeigt, wie es gehen kann: Weniger Bürokratie, mehr Vertrauen in Reallabore und eine offene Innovationskultur. Österreich könnte diesen Weg mitgehen – braucht dafür aber Fokus, Mut zur Umsetzung und eine Strategie, die Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft gleichermaßen mitnimmt.
„Wir sind neutral und auch klein – aber keine KI-Macht. Was müssen wir tun?“
Diese Frage ist nicht rhetorisch. Sie ist eine Einladung zum Gestalten. Im nächsten Artikel werden wir genauer beleuchten, was es in Österreich braucht, um Anschlussfähig zu bleiben.
Fazit: Vom Beobachter zum Mitgestalter
Die DACH-Region, und damit auch Österreiche hat das Potenzial, international Akzente zu setzen – nicht durch Copy-Paste, sondern durch die Verbindung von Exzellenz, Ethik und Wirkung. Wer heute Verantwortung übernehmen will, braucht technische Souveränität und politischen Mut.
Die Welt wartet nicht. Jetzt ist die Zeit, KI nicht nur mitzudenken, sondern mitzugestalten – verantwortungsvoll, vernetzt und wirkungsorientiert.