„Umuntu ngumuntu ngabantu“ – Ein Mensch ist ein Mensch durch andere Menschen.
(Zulu-Sprichwort, oft übersetzt als „I am because we are“)
In Meetings sprechen wir von Synergien, in Keynotes von Purpose und in Leitbildern vom Miteinander. Doch wenn es ernst wird – wenn Zeit, Ressourcen oder Nerven knapp werden – greift die Wirtschaft oft zurück auf das, was man messen kann: Output, KPI, Effizienz.
Was dabei verloren geht? Der Mensch. Die Verbindung. Der Sinn.
Gerade in einer Zeit, in der Technologie nicht nur unterstützt, sondern zunehmend entscheidet, lohnt sich ein Blick auf etwas, das kaum je auf einem Flipchart auftaucht: Spiritualität.
Keine Sorge – das hier wird kein esoterisches Teambuilding mit Klangschale und Räucherharz, leider!? Sondern eine Einladung, alte Konzepte neu zu denken – als strategisches Bündnis für eine Zukunft, in der wir Technik nicht gegen, sondern mit dem Menschlichen gestalten.
Was die Boston Celtics mit Ubuntu zu tun haben
2007 standen die Boston Celtics vor einer ungewöhnlichen Herausforderung: drei Superstars – Kevin Garnett, Paul Pierce und Ray Allen – ein Team, ein Ziel. Was nach sportlicher Traumkonstellation klingt, war in Wahrheit ein Führungsproblem.
Wie bringt man drei Alphatiere dazu, nicht um individuelle Lorbeeren, sondern für das Team zu spielen?
Coach Doc Rivers griff nicht zu Taktikboards, sondern zu einem afrikanischen Lebensprinzip: Ubuntu – ein Konzept, das aus dem südlichen Afrika stammt und darauf beruht, dass das Wohl des Einzelnen untrennbar mit dem Wohl der Gemeinschaft verbunden ist.
Das Ergebnis? Nicht nur eine Meisterschaft 2008. Sondern eine Teamkultur bis heute, in der Superstar-Egos sich bewusst unterordneten – nicht trotz, sondern wegen ihrer Größe.
Ein Basketballteam ist kein Unternehmen. Aber die Dynamik ist dieselbe: Führung bedeutet, Verbindung zu ermöglichen – nicht nur Ziele zu setzen.
KI ist keine Antwort auf zwischenmenschliche Schwächen
Heute reden viele Unternehmen über KI-Strategien. Weniger reden darüber, wie man Menschen in dieser neuen Realität so führt, dass sie sich zugehörig fühlen.
Künstliche Intelligenz kann Muster erkennen, Inhalte generieren, Entscheidungen vorbereiten – aber sie kann keine Beziehung ersetzen. Sie kann analysieren, aber nicht vertrauen. Optimieren, aber nicht empathisch zuhören.
Wenn wir glauben, dass Technologie menschliche Schwächen ausgleicht, übersehen wir, dass gerade diese „Schwächen“ – Verletzlichkeit, Zweifel, Mitgefühl – unsere größte Stärke sein könnten.
Vielleicht sollten Unternehmen künftig nicht nur in KI-Infrastruktur, sondern auch in Beziehungsintelligenz investieren.
Vom Organigramm zum Organismus
Im US-Bundesstaat Utah steht – oder besser, lebt – einer der größten Organismen der Welt, ein Aspen-Baum. Genauer gesagt, ein Netzwerk aus genetisch identischen Bäumen, verbunden über ein riesiges Wurzelsystem. Was aussieht wie ein Wald, ist in Wirklichkeit ein einziger Organismus, der seit tausenden Jahren kooperiert, sich regeneriert und Krisen übersteht.
Vielleicht ist das eine Metapher. Vielleicht auch mehr. Sind wir Menschen, mit all unseren individuellen Biografien und Egos, nicht ebenfalls Teil eines größeren Systems?
Arthur Brooks nennt es in seinem Buch From Strength to Strength die Fähigkeit, sich mit zunehmender Reife vom „Ich“ zum „Wir“ zu entwickeln. Hier könnte die wahre Transformation liegen, die wir aktuell brauchen – nicht digital, sondern menschlich.
Spiritualität & Technologie, Kein Gegensatz, sondern eine Einladung
Ob wir KI zu unserer Utopie oder Dystopie formen, kann heute niemand seriös vorhersagen. Aber, dass wir uns als Menschen wieder mehr verbinden sollten, scheint klarer denn je.
Ubuntu ist kein Management-Framework, kein Toolset, kein Trend. Es ist ein altes, tief menschliches Prinzip, das vielleicht gerade dabei ist, wieder relevant zu werden – in einer Zeit, in der wir es am meisten brauchen – und es ist nicht das einzige…
Fünf Gedankenexperimente zum Weiterdenken
- Setze ich Technologie gerade ein, um mein Unternehmen menschlicher – oder nur effizienter zu machen?
- Welche Rolle spielt Vertrauen in meinem Team – und habe ich jemals bewusst darin investiert, es zu kultivieren?
- Wenn ich mein Unternehmen wie einen Organismus betrachte – wo ist aktuell die größte Blockade im System?
- Haben wir im Unternehmen ein gemeinsames „Warum“ – oder nur eine PowerPoint mit Vision und Werten?
- Was würde passieren, wenn ich bewusst Menschlichkeit zur Priorität mache – nicht trotz, sondern gerade wegen KI?
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