Was treibt HR wirklich an?
In HR Minds öffnen HR-Vordenker:innen ihre ganz persönliche Tür: Was inspiriert sie? Was fordert sie heraus? Welche Erfahrungen prägen ihren Blick auf die Arbeitswelt und aufs Leben?
Wir zeigen die Menschen hinter den Jobtiteln. Ungefiltert. Nahbar. Und mit ganz viel Leidenschaft für das, was HR heute ausmacht.
Ed. 4
Katarina Roder

Zwischen Psychologie, Statistik und Strategie: Katarina Roder zeigt, wie HR analytisch denken und trotzdem menschlich handeln kann.
Katarina Roder ist nicht die Art von HR-Person, die sich mit „People & Culture“-Floskeln zufrieden gibt. Sie will verstehen. Lernen. Entwickeln. Als Leiterin Personalentwicklung & Kultur, bei der ÖBB Infrastruktur, bringt sie dafür ein Skillset mit, das in der HR-Welt selten so konsequent zusammenkommt: Wirtschaftspädagogik, Psychologie, Arbeitsrecht und Data Science. Klingt nach Kopfmenschenprofil? Stimmt nur zur Hälfte, denn bei allem analytischen Anspruch steht für Roder eines immer im Zentrum: der Mensch.
Sie ist überzeugt: Wer HR zukunftsfähig gestalten will, muss nicht nur Tools bedienen - sondern Strategien bauen. Und zwar auf Basis von Daten und Haltung.
HR als Brücke zwischen Strategie und Gefühl
Was Katarina Roder antreibt, ist mehr als Effizienz: Es ist der Wunsch, HR als echte Gestaltungskraft zu etablieren. Sie sieht sich als Brücke zwischen den betriebswirtschaftlichen Zielen einer Organisation und den Bedürfnissen ihrer Menschen. Und das gelingt nur, wenn beides ernst genommen wird.
Ob sie eine 59-Jährige bewusst eingestellt hat, obwohl der Lebenslauf gegen sie sprach oder wie sie mit PERMA-Lead einen positiven Führungsansatz implementiert: Roder beweist, dass datenbasierte HR-Arbeit und Empathie keine Gegensätze sind, sondern sich ergänzen.
Katarina Roder steht für eine neue HR-Generation: Sie kennt die Systeme, durchschaut die Algorithmen, aber sie glaubt an das Zwischenmenschliche. An echte Entwicklung. An Gespräche, die man nicht delegieren kann.
Das gesamte Interview bietet noch mehr spannende Einblicke in ihre Haltung, ihre persönlichen Routinen und ihren Blick auf die Zukunft der HR-Arbeit.
Nachgefragt: Katarina Roder ganz persönlich
- Was treibt dich morgens an, wenn der Wecker klingelt und du an deinen HR-Arbeitstag denkst?
Mich treibt Neugier an. Ich habe immer gern gelernt – vom Studium der Wirtschaftspädagogik über Psychologie bis zu Data Science und Arbeitsrecht. Neues zu verstehen und in der Praxis anwendbare Lösungen zu finden, motiviert mich jeden Tag. Besonders reizt mich, Strukturen und Prozesse so zu gestalten, dass sie Menschen und Organisationen wirklich weiterbringen – nicht theoretisch, sondern spürbar.
- Welches Buch, welcher Podcast oder welche Person hat deine Sicht auf Personalmanagement am stärksten geprägt?
Einen einzelnen Einfluss gibt es nicht. Meine Haltung ist aus vielen Quellen entstanden – aus wissenschaftlicher Auseinandersetzung (Psychologie Statistik, BWL), intensiven Weiterbildungen und inspirierenden Führungspersönlichkeiten, mit denen ich zusammenarbeiten durfte. Besonders prägend ist für mich das Zusammenspiel aus Daten, Psychologie und Kommunikation – wie man aus komplexen Fakten menschlich gute Entscheidungen ableitet. Aber Daniel Kahnemann oder Amy Edmondson sind als Autor:innen sicherlich gute Tipps für jeden.
- Erzähle uns von deinem ungewöhnlichsten Erlebnis im Recruiting – was hast du daraus gelernt?
Ich habe zweimal sehr unkonventionell eingestellt. Einmal hat der Lebenslauf zur Position auf dem Papier gar nicht gepasst aber die Kompetenzen, die Erfahrung und vor allem die Motivation umso mehr. Einmal habe ich eine Kollegin mit 59 Jahren eingestellt, theoretisch kurz vor der Pension und sie ist nun zwei Jahre später immer noch in meinem Team – eine Treiberin voller innovativer Ideen. Somit zweimal richtig eingestellt – obwohl es wohl jede KI (noch) ablehnen würde.
-
Wie schaffst du den Spagat zwischen den Bedürfnissen der Mitarbeitenden und den Zielen der Geschäftsführung?
Abgesehen davon, dass das meines Erachtens nach kein Wiederspruch an sich ist, indem ich beide Perspektiven ernst nehme. Durch meine Erfahrung in Strategiearbeit und Change-Projekten weiß ich, wie wichtig es ist, klare Ziele mit echter Beteiligung zu verbinden. Ich übersetze Strategie in menschliche Sprache – und umgekehrt. -
Wie beeinflusst die Digitalisierung deine Rolle im HR-Alltag – wo bringt sie dir echte Erleichterung, wo eher Herausforderungen?
Digitalisierung ist für mich kein Selbstzweck, sondern eine Möglichkeit, Arbeit klüger zu gestalten. An der WU Executive Academy habe ich digitale Programme zu Data Science und Blockchain aufgebaut – zu einer Zeit, als kaum jemand genau wusste, was das eigentlich bedeutet. Die Herausforderung: Strukturen schaffen, wo es noch keine Blaupause gibt. Die Erleichterung: Prozesse werden skalierbarer, Digitalisierung & KI können richtig Spaß machen, wenn man sich damit beschäftigt. Eine Herausforderung ist es, laufend am neusten Stand zu sein. -
Welche digitalen Tools oder Plattformen möchtest du im HR künftig nicht mehr missen – und warum?
Digitale Lernplattformen, KI- und People-Analytics-Tools. Sie machen Entwicklungsarbeit messbar, zeigen Wirkung und geben Führungskräften fundierte Entscheidungsgrundlagen. Sie helfen, HR von „gefühlten Wahrheiten“ zu datenbasierter Strategiearbeit weiterzuentwickeln. Aber ich würde hier keine konkreten Tools empfehlen. -
Welche Rituale oder Routinen helfen dir, in stressigen Zeiten einen klaren Kopf zu bewahren?
Durch meinen Werdegang habe ich eine ausgeprägte Resilienz entwickelt – ich lasse mich selten aus der Ruhe bringen und fokussiere mich auch in fordernden Situationen auf das Wesentliche. Ich betrachte Dinge gern in Relation, setze Emotionen und Ereignisse in einen größeren Kontext und verliere so nicht den Überblick. Diese Haltung, kombiniert mit meiner grundsätzlich positiven Energie, hilft mir, selbst in intensiven Phasen klar, lösungsorientiert und mit Zuversicht zu handeln. -
Wie gelingt es dir, bei aller digitalen Transformation den Menschen im Mittelpunkt zu behalten?
Indem ich Technologie als Werkzeug sehe, nicht als Ersatz für Beziehungen. Mein psychologischer Hintergrund hilft mir, Muster und Bedürfnisse zu erkennen – und in Veränderungsprozessen Menschlichkeit bewusst zu sichern, auch wenn Systeme komplexer werden. Die digitale Transformation sollte immer zur Verbesserung von Arbeitsprozessen führen und kein Selbstzweck sein. -
Mit welcher HR-Innovation (z. B. KI-Tool, New-Work-Ansatz) hast du zuletzt experimentiert und wie hat sie dein Team bereichert?
Einerseits beschäftigen wir uns seit letztem Jahr mit PERMA-Lead als Führungsansatz und andererseits werten wir mehr Daten in HR aus, um bessere Retentionmaßnahmen zu entwickeln. -
Welchen Ratschlag würdest du deinem jüngeren Ich geben, als du in der HR-Welt angefangen hast?
Gute HR entsteht nicht aus Theorien, sondern aus dem Mut, Dinge auszuprobieren und Haltung zu zeigen. Und: arbeite mit Menschen, die dich herausfordern und fordern – nicht nur bestätigen oder sogar zurückhalten. Aber da hatte ich großteils anyway Glück. 😊 - Was machst du außerhalb der Arbeit, um deine Kreativität und Empathie weiterzutreiben?
Ich lerne ständig. Ob neue Konzepte, Sprachen oder Perspektiven – Lernen ist für mich Erholung und Inspiration zugleich. Außerdem tanke ich Energie durch Musik, Tanz, Reisen und Begegnungen mit Menschen, die ganz anders denken als ich.
-
Welches Vorurteil gegenüber HR kannst du gar nicht mehr hören und warum ist es falsch?
„HR ist die weiche Seite des Geschäfts.“ Nein – HR ist die strategische Kraft, die bestimmt, ob eine Organisation zukunftsfähig bleibt. Wir arbeiten mit Daten, Recht, Strategie und Kultur – und wir tragen Verantwortung für den Kern jedes Unternehmens: seine Menschen. -
Wenn du für einen Tag die Position eines Mitarbeitenden übernehmen könntest: Was würdest du testen oder verändern?
Das ist eine gute Frage. Ich habe mir tatsächlich schon überlegt, einmal einen Tag gemeinsam mit einer Kollegin im operativen Bereich zu verbringen – einfach, um die Systeme und Abläufe besser zu verstehen, mit denen täglich gearbeitet wird. Mir ist wichtig, Prozesse nicht nur von oben zu steuern, sondern sie aus der Praxis heraus zu erleben. Nur so erkennt man, wo wirklich Optimierungspotenzial liegt – und kann Lösungen entwickeln, die im Alltag funktionieren. -
Was ist aus deiner Sicht die wichtigste digitale Kompetenz, die HR heute (und morgen) mitbringen muss?
Analytisches Denken, Neugierde und kritisches Hinterfragen. Wir müssen Daten lesen, Muster erkennen und daraus handlungsfähige Strategien machen – ohne die menschliche Komplexität zu verlieren. Daten zeigen was passiert, aber nicht warum – dieses Warum bleibt unsere Aufgabe. -
Magst du weiter noch etwas ganz Persönliches mit uns teilen?
Ich glaube an Weiterentwicklung – individuell wie organisatorisch. Ich habe nie aufgehört zu studieren, weil Lernen für mich die ehrlichste Form von Fortschritt ist. Wenn ich eines teilen kann, dann die Freude daran, Dinge zu verstehen, zu verbinden und daraus Zukunft zu gestalten. Jede:r sollte die Möglichkeit haben, sich in den Stärken, die sie:er hat weiterzuentwickeln.
Fotocredit: shutterstock/Oleinik Iuliia