Grafik: wenich_mit/Shutterstock.com
Das Telefon hat 75 Jahre gebraucht, bis es weltweit 100 Millionen User hatte. ChatGPT hat dafür zwei Monate benötigt.
Wir leben in einer Zeit immer schneller kommender Innovationen. Viele dieser Innovationen disruptieren unser Business. Ob wir wollen oder nicht.
Wenn vieles gleichzeitig passiert, das dazu noch komplexe Veränderungen nach sich zieht und so schnell geht, dass wir uns auf gar kein Zielmodell einigen können, dann ist es angebracht, von einer Zeit des Paradigmenwechsels zu sprechen.
Beispiele aus dem Alltag:
- Kostensenkung bei steigendem Output
- Eine Alterspyramide, die in die Pension kippt
- War of Talents
- Cloud-Transformationen
- Neue Organisationsmodelle wie Agile
- Neue Sourcingmodelle
- Und das alles beherrschende Thema: “Was macht KI mit uns?”
Alles gleichzeitig.
Überleben im Turbo-Change: Die neue Normalität verstehen
Change ist der Normalzustand, aber in einem Ausmaß, wie wir es bisher noch nicht gesehen haben. Und ab morgen wird es schneller.
Die Zukunft ist nicht vorhersehbar. Niemand hatte 2019 eine Pandemie in seinen Businessplänen eingepreist. Das Gleiche gilt für die Weltwirtschaftskrise. Wer weiß schon, welche Effekte KI mittel- bis langfristig haben wird? Die Großen haben vor, über eine Billion Dollar in den nächsten fünf Jahren in das Thema zu pumpen: 1.000.000.000.000 Dollar. Das ist mehr als doppelt so viel wie das österreichische BIP. Wir haben laut Deming die Wahl: Wir müssen uns nicht anpassen. Wir müssen auch nicht überleben. Jene Organisationen, die sich am besten und schnellsten adaptieren können, werden die Nase vorn haben. Die anderen eine blutige oder gar keine mehr.
Antifragil ist das neue resilient
Resilienz reicht nicht aus, wir wollen es ja nicht nur gerade mal so aushalten. Alles weniger führt unweigerlich zur Ausselektion, ist nur eine Frage der Zeit.
2012 hat Nassim Taleb in seinem gleichlautenden Buch den Begriff “Antifragil” geboren. Antifragile Systeme werden mit Störungen besser, während fragile Systeme daran zugrunde gehen. Ein Muskel ist ein antifragiles System. Jedes Training stört den Muskel und macht ihn müde, aber er wird danach stärker sein. Ich sehe aber auch, was passiert, wenn man ihn nicht trainiert.
Die Evolution ist ein Blueprint dafür, um Antifragilität hervorzubringen. Sie hat nur ein paar Downsides zur direkten Anwendbarkeit: Sie ist ziellos (also komplett hirnlos) und sie braucht lange. Ein evolutionärer Prozess ohne weitere Rahmen- und Zielsetzung führt zu einer Artenvielfalt, die wir in Organisationen nicht sehen wollen. Das ist zu viel Diversität. Und es könnte dauern. Lange dauern.
Welche Eigenschaften haben antifragile Organisationen?
Hier nur ein paar aufgezählt:
- Überkompensation: Antifragile Organisationen absorbieren nicht nur die Schocks, sondern sie überreagieren in gewissen Bereichen darauf. Beispiele sind Amazon mit AWS, Estland nach der landesweiten Cyberattacke 2007 und der österreichische Weinskandal 1985 (die älteren Semester erinnern sich).
- Chaos: Ein gewisses Mindestmaß an Chaos ist ein Teil der Organisation.
- Dezentralisierung: Je mehr dezentral, desto schneller. Dazu ist im Gegenzug ein starkes inhaltliches Alignment über die Organisation erforderlich.
- Merkfähigkeit: Learnings per se sind gut. Learnings in einem konkreten Fall umzusetzen, ist besser. Sich als Organisation die Learnings für alle zu merken, das ist eine Schlüsselfähigkeit.
- Optionalität: Antifragile Organisationen haben nicht nur eine mögliche Antwort auf eine Störung bzw. eine neue Situation. Sie haben Handlungsoptionen.
- Change als Skill: Wer sich dauernd anpassen muss, der sollte das auch selbst können. Besonders, wenn es eine tägliche Notwendigkeit darstellt – so wie Schuhe binden.
Change als Skill
Die wahrscheinlich erste Eigenschaft, die es zu erarbeiten gilt, ist “Change als Skill”: Dabei geht es nicht um einen Change-Prozess, wie wir ihn aus der Vergangenheit kennen – “Unfreeze-Change-Freeze” oder die acht Stufen von John Kotter. Diese Modelle sind zu langsam, zu träge, zu schwerfällig. Sie sind wie die IT-Wasserfallprojekte vor dreißig Jahren.
Wir brauchen eine neue Herangehensweise an Change, die auch damit umgehen kann, dass die Ziele nur rudimentär bis gar nicht vorliegen. Change-Modelle, die unterstützen, dass die Dinge aus dem Ist heraus auf eine sinnvolle Weise emergieren können. Change-Modelle, die das Wissen und die Kraft der gesamten Organisation nutzen. Change-Modelle, die somit deutlich partizipativer sind als alles Bisherige.
Wirkung entsteht im Menschen, nicht in der Message
Um das auch in die Realität zu bringen, bedarf es eines neuen Vorgehens in der Change-Kommunikation. Die Kommunikation ist der Katalysator, der die Wirkung im sozialen System erzeugt. Dort sitzen die Menschen mit ihren Ängsten, Bedürfnissen und Intentionen. Entweder sind diese beteiligt oder betroffen. Der Unterschied ist in Faktoren, nicht in Prozent, zu beziffern.
Bei all dem technologischen Galopp ist der Mensch noch immer im Mittelpunkt. Das dürfen wir nie vergessen.
Daher brauchen wir dynamische Kommunikations-Frameworks, die jenen Komplexitätsgrad aufweisen, wie die Aufgabe, die sie zu lösen haben – zumindest ist das so, wenn man Ashby‘s Law glaubt. Die Wirtschaftsdramaturgie nimmt auf eine dynamische Art und Weise dramaturgische Elemente, um Wirkung zu erzeugen. Und wer leugnet, dass Hollywood oder Netflix, oder Prime etc. es nicht schaffen, Wirkung bei uns Menschen zu erzeugen? Das ist mehr als reines Storytelling – hier geht es um ein dynamisches Set an Methoden zur Anwendung in der Kommunikation im Unternehmen. Ein Satz vorausgestellt: Wirkung erzeugt man nicht, indem man sie abbildet. Anders gesagt: Wer jubelt schon, wenn er eine Slide mit jubelnden Menschen sieht?
Anpassung ist unsere Superpower
Das klingt nach einer großen Aufgabe. Wenn die menschliche Spezies eines in den letzten 300.000 Jahren, seit dem ersten Homo sapiens, bewiesen hat, dann ist es, dass wir zwar nicht die schönsten, die größten oder die stärksten sind – aber, dass wir ungemein anpassungsfähig sind.
Dieser Kraft müssen wir uns auch klar und wieder bewusstwerden. Change ist zwar heute negativ konnotiert, aber die individuelle Anpassungsfähigkeit erlaubt es uns Menschen, dass wir uns auf sich verändernde Rahmenbedingungen sehr gut einstellen können.
Es tut weh, wenn man auf die heiße Herdplatte greift. Aber der Schmerz verhindert größeren körperlichen Schaden. Change braucht Energie und ist nicht immer schmerzbefreit. Change ist allerdings das Mittel, um mit all den Disruptionen, die wir selbst entfacht haben und nicht mehr aufhalten können, zu unserem Besten umzugehen.
Das ist die menschliche Superpower, die wir auch auf Organisationen übertragen müssen. Alles andere ist primär – um hier auch mal einen Fußballer zu zitieren.
Erleben Sie unseren Experten Thomas Pisar live bei der Rise of Tech Conference von 16.-17. Juni 2025 in Waidhofen/Ybbs. Tickets finden Sie > hier.