Foto: Thomas Kamenar
„Ich glaube, dass wir prototypische Aufbruchszeiten haben. Wir werden in zehn, 20 Jahren auf die Jetztzeit zurückschauen und sagen: du kannst dir nicht vorstellen, mit welchen Fragen wir uns beschäftigt haben. Zwischen dem Jetzt und diesen Morgen liegt massive Veränderung. Und diese massive Veränderung funktioniert nur, wenn Entscheidungen getroffen werden.“ (Franz Kühmayer)
Willkommen im neuen Jahr. Es startet nicht unbedingt rosig, wenn man sich die wirtschaftliche Lage in Österreich und dem Rest Europas ansieht. Aber Krisen bieten bekanntlich Herausforderungen und Chancen zugleich. Wir wollen uns in diesem Artikel auf die Chancen von Umbruchszeiten konzentrieren.
Dafür haben wir uns den Vordenker der Arbeit ins Boot geholt: Der renommierte Trendforscher Franz Kühmayer skizziert im LSZ-Interview Zukunftsbilder über das, was HR-Abteilungen 2025 bewegen wird: Wie können Megatrends wie Nachhaltigkeit, Künstliche Intelligenz (KI) oder der Wertewandel der Gesellschaft sinnvoll in Unternehmen integriert werden? Und welche Rolle spielt HR bei der Gestaltung dieser Veränderungen?
HR als Übersetzer: Megatrends greifbar machen
Als spannendstes HR-Thema, sieht der Zukunftsforscher ein Meta-Thema: Wie können Personalabteilungen große Entwicklungen wirkungsvoll ins Unternehmen bringen? Konkret: Wie können globale Themen wie Nachhaltigkeit oder KI so in die Organisation getragen werden, dass sie für Mitarbeiter:innen nicht nur verständlich, sondern auch umsetzbar und motivierend sind?
Neben klassischen HR-Aufgaben wird die Übersetzungsleistung von HR-Abteilungen an Bedeutung gewinnen. Beispielsweise kann Nachhaltigkeit nicht als abstrakter Wert gelebt werden. HR muss hier Qualifizierungsmaßnahmen schaffen, um Mitarbeitende fachlich und emotional zu ertüchtigen, sich aktiv einzubringen. Das Gleiche gilt für KI: Es reicht nicht, die Technologie einfach einzuführen. Unternehmen müssen klären, wie sie sinnvoll eingesetzt wird – etwa zur Entlastung bei repetitiven Aufgaben oder zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen.
Die neue Arbeitswelt: Komplexität und Vielfalt akzeptieren
„Ob das Glas halb voll oder halb leer ist, hat nur für Menschen Bedeutung, die nicht dran glauben, dass man Wasser nachschenken kann.“ (Franz Kühmayer)
Ein weiterer zentraler Punkt, den Kühmayer hervorhebt, ist die zunehmende Komplexität der Arbeitswelt. Unternehmen müssen lernen, mit Widersprüchen umzugehen, etwa wenn Nachhaltigkeitsziele mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten kollidieren. Gleichzeitig ist Vielfalt – nicht nur im Sinne von Diversität, sondern auch bei Ideen und Lösungsansätzen – entscheidend, um resilient zu bleiben.
HR kann hier als Treiber fungieren: durch die Förderung einer offenen Unternehmenskultur, die Experimente und Fehler zulässt. „Trial“ sei essenziell, um in unsicheren Zeiten erfolgreich zu navigieren. („Error“ müsse ja nicht gleich in der Zielsetzung sein) Unternehmen sollten Pilotprojekte ermöglichen, die Raum für Innovation und neue Arbeitsweisen schaffen.
Mutig entscheiden
„Ich glaube, dass wir aktuell in einer Welt leben, in der wir ganz viele Experimentierfelder vorfinden, und daher Mut zeigen sollen und dürfen, uns auch auszuprobieren. Im Wissen, dass wir Fehler machen werden.“ (Franz Kühmayer)
Kühmayer plädiert dafür, nicht nur zu experimentieren, sondern auch mutige Entscheidungen zu treffen. In einer Welt, die sich schnell verändert, seien klare Handlungen und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, essenziell. Dabei sieht er HR in einer Vorreiterrolle, denn: Die Abteilung beschäftigt sich traditionell mit der Frage, was den Menschen in der Arbeitswelt unersetzlich macht.
Die Integration von KI ist hierfür ein Beispiel. Sie wird nicht Menschen ersetzen, betont Kühmayer, sondern diejenigen, die sich nicht mit ihr auseinandersetzen.
Führung im Wandel: Teilzeit als Gewinn
Führung müsse sich aber auch in ihrer Rolle grundlegend ändern. Das traditionelle Bild des heroischen Chefs, der stets für alles und jeden verfügbar ist, sollte längst der Vergangenheit angehören. Zum einen spricht dies gegen die persönliche Gesundheit und das Privatleben, zum anderen auch gegen die Effizienz aus unternehmerischer Perspektive.
Bedenken gegen Teilzeitführung seien zudem unbegründet. Technologien sowie flexible Arbeitsgestaltung machen Führungspositionen in Teilzeitarbeit sehr gut möglich. Teilzeitführung könne außerdem dabei helfen, Rollenbilder zu dekonstruieren und Aufstiegsmöglichkeiten für Personen zu schaffen, die aufgrund von Betreuungspflichten nicht Vollzeit einer Erwerbsarbeit nachgehen können (Stichwort: Carearbeit).
Zukunft der Arbeit: Mehr als Erwerbsarbeit
Ein oft vergessener Aspekt ist, dass Arbeit mehr ist als Erwerbsarbeit. Menschen arbeiten auch in Familien, in Ehrenämtern oder in der Gemeinschaft – Tätigkeiten, die ebenfalls Wert schaffen. Ebenso geht es bei Arbeit nicht nur um Lohn, sondern um Identität, Sinn und die Möglichkeit, gebraucht zu werden.
Kühmayers Botschaft: Die Arbeitswelt der Zukunft ist vielfältig, widersprüchlich und anspruchsvoll. Sie verlangt nach Übersetzung, Experimentierfreude und Entschlossenheit – und HR ist in der besten Position, diese Entwicklung zu begleiten.
Dieser Ansatz öffnet nicht nur Türen für neue Wege, sondern stärkt die Organisation und die Menschen, die sie ausmachen. In diesem Sinne ist die Zukunft der Arbeit herausfordernd und bringt große Chancen mit sich.
Die nächste Möglichkeit, sich mit Franz Kühmayer persönlich über die großen Fragen der Arbeitswelt zu unterhalten, haben Sie beim FUTURE OF WORK-Kongress von 21.-22. Mai 2025 in Bad Loipersdorf.