Was treibt HR wirklich an?
In HR Minds öffnen HR-Vordenker:innen ihre ganz persönliche Tür: Was inspiriert sie? Was fordert sie heraus? Welche Erfahrungen prägen ihren Blick auf die Arbeitswelt und aufs Leben?
Wir zeigen die Menschen hinter den Jobtiteln. Ungefiltert. Nahbar. Und mit ganz viel Leidenschaft für das, was HR heute ausmacht.
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Madeleine Bauer-Eder
Heute im Fokus: Madeleine Bauer-Eder, Head of HR und Mitglied der Geschäftsführung bei IBM Österreich. Mit mehr als 20 Jahren internationaler Erfahrung in Mittel- und Osteuropa sowie im Nahen Osten prägt sie die HR-Landschaft mit klarem strategischem Fokus. Neben ihrer Rolle als CHRO bringt sie ihre Expertise auch als systemischer Coach in die Führungskräfteentwicklung ein.
Ein prägendes Erlebnis aus ihrer Laufbahn zeigt, wie offen sie für Potenzialorientierung im Recruiting ist. Ein Kandidat mit Quereinsteiger-Profil bewarb sich initiativ über LinkedIn und überzeugte später bei einer IBM Student Night für das Master@IBM Programm. Mit großem Engagement arbeitete er sich ein und gewann in kürzester Zeit die Wertschätzung von Kolleginnen, Kollegen und Kundinnen. Für Madeleine Bauer-Eder ist das ein Paradebeispiel für die Kraft von potenzialbasiertem Hiring und ein Beweis dafür, dass wahres Talent nicht an klassischen Lebensläufen erkennbar ist.
Das vollständige Interview eröffnet viele weitere Einblicke in ihre Haltung, ihre Routinen und ihre Sicht auf die Zukunft von HR. Hier folgen alle Fragen und Antworten im Überblick.
Nachgefragt: Madeleine Bauer-Eder ganz persönlich
Hier wird deutlich, dass es um weit mehr geht als um operative Aufgaben. Aber am besten überzeugen Sie sich selbst:
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Was treibt dich morgens an, wenn der Wecker klingelt und du an deinen HR-Arbeitstag denkst?
Als sich nach einer Reihe internationaler Rollen die Möglichkeit auftat, die Personalleitung für IBM Österreich zu übernehmen, stand der Bereich vor einer tiefgreifenden HR-Transformation. Wir haben in der Folge unsere Prozesse mit Design Thinking von Grund auf neu gedacht, die Employee Experience ins Zentrum gestellt und geschaut: Wo kann KI repetitive Tätigkeiten übernehmen, und wo können wir als HR-Professionals echten Mehrwert schaffen? Heute haben wir eine umfassende kulturelle und digitale Transformation gemeistert – unsere Arbeit ist wertschöpfender, strategischer und viel näher am Business.
Und genau das treibt mich an: HR grundlegend neu zu denken, die Effekte bei IBM Österreich zu sehen – eine bessere Kostenstruktur, ein deutlich gestiegener Net Promotor Score (NPS) und HR-KollegInnen, die am Wertbeitrag für das Unternehmen arbeiten. Für uns ist die Leitfrage nicht: Wie automatisieren wir bestehende Prozesse? Sondern: Wenn wir KI in HR bestmöglich und verantwortungsvoll einsetzen – wie sehen die Prozesse dann aus?
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Welches Buch, welcher Podcast oder welche Person hat deine Sicht auf Personalmanagement am stärksten geprägt?
Mich prägen vor allem Impulse, die Arbeit in einen größeren Kontext stellen. Sehr inspirierend finde ich den Podcast „Blick nach vorne“ von Franz Kühmayer, weil er Trends praxisnah mit optimistischen Zukunftsbildern verbindet. Wichtig sind für mich auch rechtliche Inputs – aktuell höre ich den Arbeitsrecht-Podcast von Wolf Theiss. Ein persönlicher Geheimtipp ist „HR & Arbeitsrecht Leckerbissen – rechtlich verfeinert für den Unternehmenserfolg“ von Baker McKenzie: komplexe Themen, kompakt und mit Humor aufbereitet.
Auf persönlicher Ebene ist Sepp Buttinger, Gründer und Präsident der hr lounge, prägend. Bei meiner Rückkehr nach Österreich hat er mir durch die Aufnahme in die hr lounge die Türen zur lokalen HR-Community geöffnet, aus der sich viele Freundschaften und ein wertvoller Austausch entwickelt haben. Dafür bin ich sehr dankbar.
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Erzähle uns von deinem ungewöhnlichsten Erlebnis im Recruiting – was hast du daraus gelernt?
Ein besonderes Erlebnis war für mich ein Kandidat, der uns über LinkedIn mit einer Initiativbewerbung und einem echten Quereinsteiger-Profil kontaktiert hat. Bei einer unserer IBM Student Nights, wo wir mit KandidatInnen ins Gespräch kommen für unser Master@IBM Programm, hat er dann so überzeugt, dass klar war: Wir probieren es. Daraufhin hat er sich mit großem Engagement in die neuen Themen eingearbeitet und wurde in kürzester Zeit von KollegInnen und KundInnen gleichermaßen geschätzt. Es war eine wirkliche Freude, das zu sehen – und gleichzeitig ist es ein besonders gelungenes Beispiel für potenzialbasiertes Hiring.
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Wie schaffst du den Spagat zwischen den Bedürfnissen der Mitarbeitenden und den Zielen der Geschäftsführung?
Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und die Ziele des Unternehmens sind für mich zwei Seiten derselben Medaille. Unternehmensziele erreichen wir nur mit engagierten Mitarbeitenden – und engagiert sind Menschen dann, wenn sie Entwicklungsmöglichkeiten sehen, die zu ihren Stärken und Wünschen passen oder neue Perspektiven eröffnen. Deshalb setzen wir auf eine Kombination aus Technologie und persönlichem Austausch: Unsere KI-gestützten IBM Plattformen YourLearning und YourCareer schaffen Transparenz und Wahlmöglichkeiten, während Entwicklungsgespräche mit Führungskräften und HR die individuelle Begleitung sicherstellen.
Darüber hinaus verknüpfen wir Business-Ziele mit einer Kultur, die Vertrauen, Transparenz und Innovation fördert. So entsteht ein stabiles Fundament, das sowohl den Mitarbeitenden Sicherheit und Perspektiven gibt als auch die strategische Stärke des Unternehmens nachhaltig ausbaut. Ein zentraler Hebel dafür ist unser jährlicher Engagement Survey, mit dem wir die Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden umfassend verstehen und gezielt in unsere Maßnahmen einfließen lassen.
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Wie beeinflusst die Digitalisierung deine Rolle im HR-Alltag – wo bringt sie dir echte Erleichterung, wo eher Herausforderungen?
Die Digitalisierung erleichtert meinen HR-Alltag enorm. Unser KI-gestützter Assistent AskHR beantwortet inzwischen rund 94 % aller HR-Standardfragen bei IBM und unterstützt über 100 automatisierte Prozesse. So gewinnen wir Freiräume für Beratung, individuelle Betreuung und Kulturarbeit.
Dabei ist der verantwortungsvolle Einsatz entscheidend: KI muss fair, transparent und nachvollziehbar sein. Mit klaren Prinzipien für ethischen KI-Einsatz, einer durchdachten KI-Governance und enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat schaffen wir Vertrauen und stellen sicher, dass Digitalisierung im HR-Alltag echte Unterstützung bietet.
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Welche digitalen Tools oder Plattformen möchtest du im HR künftig nicht mehr missen – und warum?
Ganz oben stehen für mich die KI-gestützten IBM-Plattformen YourLearning und YourCareer. Mit YourLearning können Mitarbeitende ihren individuellen Lernpfad gestalten – basierend auf Skills, Interessen und mit KI-Empfehlungen. Das macht Lernen persönlicher und flexibler.
YourCareer wiederum schafft Transparenz: Welche nächsten Schritte sind im Unternehmen möglich? Welche Skills brauche ich dafür? Und wie passt das zu unseren Geschäftsanforderungen? Diese Kombination fördert Eigenverantwortung, zeigt Entwicklungschancen klar auf und verbindet individuelle Ziele mit den Unternehmenszielen. Für alle Beteiligten ist das ein Gewinn, weil Karrieregespräche datenbasiert, fairer und praxisnäher geführt werden können.
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Welche Routinen helfen dir, in stressigen Zeiten einen klaren Kopf zu bewahren?
Im Office nutze ich gerne unsere Walking Pads für Telefonate oder Team-Meetings, um in Bewegung zu bleiben. Außerdem blocke ich mir Fokuszeiten ohne Meetings. Kleine Routinen, die mir helfen, fokussiert zu bleiben und einen klaren Kopf zu bewahren.
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Wie gelingt es dir, bei aller digitalen Transformation den Menschen im Mittelpunkt zu behalten?
Gerade die digitale Transformation in IBM HR hat wesentlich dazu beigetragen, den Menschen stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Indem repetitive Prozesse automatisiert sind, haben unsere HR-Teams mehr Zeit für Beratung, Entwicklung und Kulturarbeit. Parallel dazu haben wir eine kulturelle Transformation umgesetzt, bei der wir mit Design Thinking und Co-Creation Prozesse gemeinsam mit Mitarbeitenden gestaltet haben.
Das schafft Empathie, stärkt die Employee Experience und rückt Führungskräfte stärker in die Rolle, Kultur bewusst zu prägen.
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Welche HR-Innovation hat bei IBM zuletzt den größten Unterschied gemacht – und warum?
Ein Highlight ist HiRo – unser Promotion-Tool. Es unterstützt den gesamten Beförderungsprozess: Es lernt die Kriterien, stellt Führungskräften Auswahloptionen bereit, übernimmt die Kommunikation und lädt die finalen Entscheidungen direkt ins HR-System. Dabei ist zentral, dass Entscheidung und Verantwortung immer beim Menschen bleiben.
Die Effekte von HiRo sind enorm: Wir sparen mehrere Hundert produktive Manager-Stunden pro Jahr, haben 85 % weniger Zeitaufwand für HR Business Partner und eine 100 % Genauigkeit bei Kriterien und Daten. Für mein Team bedeutet das: Weniger Transaktion, mehr Zeit für Beratung und Begleitung. Und für die Mitarbeitenden mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit.
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Welchen Ratschlag würdest du deinem jüngeren Ich geben, als du in der HR-Welt angefangen hast?
Hinterfrage Gewohntes, bleib nah an den Menschen und habe Mut, Neues auszuprobieren – oft wächst man am meisten durch Aufgaben, die zunächst zu groß erscheinen.
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Wie engagierst du dich – gemeinsam mit deinem Team – über die tägliche HR-Arbeit hinaus?
Ein besonderes Erlebnis war unser Social Acting Day, den Kolleginnen aus unserem HR-Team organisiert haben. Wir haben Essen für geflüchtete Familien vorbereitet und ausgeteilt und Sachspenden gesammelt. Diese Erfahrung hat die Verbundenheit in unserem Team sehr gestärkt und unseren Blick auf das Wesentliche geschärft.
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HR wird oft noch als reine Verwaltung gesehen – warum stimmt dieses Bild heute nicht mehr?
HR ist längst nicht mehr nur Support – wir stehen im strategischen Zentrum des Unternehmens. Wir sind als HR Client Zero für den KI-Einsatz bei IBM, gerade weil unsere Anforderungen hoch sind: in Sachen Kosteneffizienz und Compliance und weil unsere Mitarbeitenden gleichzeitig eine Employee Experience auf dem Niveau moderner Kundenstandards erwarten.
Vor allem die vorausschauende, KI-gestützte Personalplanung zeigt, welchen Wert HR hat: Wir verbinden Skills, Geschäftsanforderungen und individuelle Entwicklung – und stellen sicher, dass Menschen und Unternehmen zukunftsfit bleiben.
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Wenn du für eine Weile in eine andere Rolle bei IBM schlüpfen könntest – welche wäre das?
Dann wäre ich gerne Consultant für HR-Transformation. Die Umsetzung unserer watsonx-basierten KI-Tools und Ansätze direkt bei Kunden zu begleiten, würde mich sehr reizen. Und es macht mir große Freude, unsere Erfahrungen aus der eigenen HR-Transformation weiterzugeben.
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Was ist aus deiner Sicht die wichtigste digitale Kompetenz, die HR heute (und morgen) mitbringen muss?
Ein tiefes Verständnis für Daten und KI. Wir müssen wissen, wie Algorithmen funktionieren, wo ihre Grenzen liegen – und immer die ethische Dimension mitdenken. Effizient ohne Ethik ist kein Fortschritt. HR braucht daher digitale Kompetenz, kombiniert mit einem klaren Wertekompass.
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Magst du weiter noch etwas ganz Persönliches mit uns teilen?
Für mich ist HR gerade spannender denn je: Es geht darum, KI und andere Technologien so einzusetzen, dass sie nicht nur Prozesse erleichtern, sondern echten Mehrwert für Mitarbeitende schaffen, Entwicklung fördern und Unternehmenskultur stärken. Genau diese Kombination aus Wandel, Gestaltungsspielraum und Verantwortung macht meinen Job besonders motivierend.
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