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Mehr Mensch durch Maschine? Wie KI HR-Arbeit verändert

Grafik: ThongNam/Shutterstock.com

Technologie hat die HR längst effizienter gemacht – Prozesse wurden automatisiert, Abläufe verschlankt. Doch Künstliche Intelligenz (KI) geht darüber hinaus: Sie eröffnet neue Handlungsspielräume, in denen nicht nur Effizienz zählt, sondern auch Menschlichkeit neu gedacht wird. Immer mehr (vor allem große) Unternehmen nutzen das Potenzial: KI übernimmt repetitive Aufgaben – und schafft damit Freiraum für das, was HR wirklich ausmacht: Empathie, kulturelle Passung und wirksames Leadership.

Madeleine Bauer-Eder, Head of HR- bei IBM Österreich verrät uns im LSZ-Interview, wie KI im HR-Alltag in einem internationalen Technologiekonzern erfolgreich eingesetzt wird – nicht gegen, sondern für den Menschen. Ergänzend dazu bringt Zukunftsforscher und Arbeitsexperte Franz Kühmayer eine strategisch-gesellschaftliche Perspektive ein: Welche Fragen müssen sich Unternehmen jetzt stellen, um den Wandel durch KI nicht nur mitzugehen, sondern aktiv zu gestalten?

Bauer-Eder und Kühmayer bei FOW 2024
Foto: Daniela Colleoni (ISS Austria), Madeleine Bauer-Eder (IBM Österreich) und Trendforscher Franz Kühmayer beim FUTURE OF WORK-Kongress 2024 ©LSZ/Jenia Symonds

Automatisierung als Türöffner für menschlichere HR-Arbeit

„Ich bin überzeugt, dass der verantwortungsvolle Einsatz von KI den HR-Bereich noch menschlicher macht“, sagt Bauer-Eder im LSZ-Interview – und überrascht damit vielleicht manche, die KI vor allem mit Automatisierung und Distanz verbinden. Was sie meint: Wenn Technologie richtig eingesetzt wird, kann sie Freiräume für genau jene Gespräche schaffen, die im hektischen HR-Alltag bisher oft zu kurz gekommen sind. Das bedeutet mehr Zeit für individuelle Förderung, echte Interaktion und das persönliche Wachstum der Mitarbeitenden.

Ein Großteil der HR Prozesse bei IBM läuft mittlerweile automatisiert ab – ohne manuellen HR-Aufwand. Ein gutes Beispiel dafür ist der Onboarding-Prozess. Alle relevanten Daten neuer Mitarbeitenden werden automatisch in die HR-Systeme integriert. Dazu gehört die Erstellung von Mitarbeiterausweisen, die Einrichtung von E-Mail-Adressen oder die Bereitstellung von Arbeitsplätzen. Auch Beförderungsprozesse können dank IBM watsonx Orchestrate weitgehend automatisiert werden, was eine enorme Zeitersparnis bringt. Das ermöglicht es den HR-Mitarbeitenden, sich auf strategische und wertschöpfende Aufgaben zu konzentrieren. Für einen ethisch verantwortungsvollen Einsatz von KI bleibt der Mensch hier immer in der Verantwortung und trifft letztlich die Entscheidungen.

Die durch den KI-Einsatz gewonnene Zeit fließt in genau jene Aufgaben, bei denen Menschen unersetzlich sind: individuelle Beratung, Führungsbegleitung oder die Unterstützung bei der persönlichen Karriereplanung.

Der Perspektivenwechsel – Technologie nicht als Konkurrenz, sondern als Enabler für mehr Menschlichkeit zu sehen – schafft neue Möglichkeiten für das Arbeitsklima. So zeigt etwa eine Studie der Boston Consulting Group (2023), dass Unternehmen mit gezielt eingesetzter KI Verbesserungen in der Mitarbeitenden-Zufriedenheit und Führungskräftebindung erzielen konnten – wenn HR-Teams entlastet und strategisch eingebunden wurden. 

Augmented statt Artificial Intelligence: Neue Rollen für HR

Bauer-Eder verwendet bewusst den Begriff „Augmented Intelligence“ – KI soll nicht Menschen ersetzen, sondern menschliche Entscheidungen stützen. Der Unterschied ist entscheidend: Während Systeme wie etwa Videointerview-Analysetools automatisch Bewerbungen vorselektieren können, setzt IBM bei der endgültigen Entscheidung im Recruiting auf das menschliche Urteilsvermögen. KI hilft dabei, Bias zu reduzieren und objektivere Entscheidungen zu treffen. Doch die menschliche Expertise bleibt unverzichtbar – besonders bei komplexen, sensiblen Auswahlprozessen, bei denen emotionale Intelligenz und Empathie gefragt sind.

Auch die Forschung zeigt: Hybride Systeme aus KI und menschlicher Expertise erzielen bessere Ergebnisse. Eine Studie der Universität Stanford (2023) fand heraus, dass KI alleine bei Personalentscheidungen oft an Grenzen stößt – kulturelle Passung, Ambiguität oder Soft Skills bleiben schwer messbar.

Technologie greift nur, wenn Prozesse reif sind

Ein zentraler Erfolgsfaktor, auf den Bauer-Eder hinweist: „Man kann keine neue Technologie auf alte Prozesse aufsatteln.“ Deshalb analysieren fortschrittliche HR-Teams zuerst ihren gesamten Employee Lifecycle, bereinigen und vereinfachen Strukturen – erst dann folgt die technologische Umsetzung.

Diese Reihenfolge ist entscheidend: Laut PwC’s AI Insight Report 2024 scheitern rund 60 % der KI-Initiativen im HR an unklaren Prozessen, fehlendem Change-Management oder mangelndem Vertrauen der Mitarbeitenden. 

Wer KI erfolgreich einsetzen will, braucht ein solides Fundament – und klare ethische Prinzipien. Technologie allein reicht nicht. Es braucht durchdachte Prozesslogik, transparente Datennutzung und vor allem das Buy-in von Mitarbeitenden, Führungskräften und Betriebsrat. Darüber hinaus ist ein menschenfreundlicher und verantwortungsvoller Umgang mit KI-Systemen nur dann möglich, wenn er von verbindlichen ethischen Leitplanken begleitet wird.

Nur unter diesen Voraussetzungen kann langfristig Vertrauen in KI entstehen – und genau dieses Vertrauen ist der Schlüssel, um ihr volles Potenzial im HR-Bereich zu entfalten.

KI ist kein Abteilungsprojekt – sondern ein Thema für das ganze Unternehmen

Zukunftsforscher Franz Kühmayer betont im LSZ-Interview, dass KI nicht nur technologisch verstanden werden darf – sondern vor allem als strategische Frage der Organisationsentwicklung: „Die Ausgangsfrage, zu der uns KI führt, ist jene nach der Daseinsberechtigung des Menschen in der Arbeitswelt. Und genau das ist seit jeher die zentrale Aufgabe von HR.“ KI zwinge alle Bereiche, ihre Rolle neu zu definieren – HR habe jedoch die Chance, zur gestaltenden Kraft im Unternehmen zu werden, weil sie den Menschen im Zentrum behält.

Neue Jobprofile, neue Verantwortung – HR als Navigator im Wandel

Kühmayer schlägt vor, bestehende Jobprofile entlang eines Spektrums zu analysieren: Wo bleibt der Mensch unersetzlich, wo bringt KI Vorteile, wo entsteht eine echte Synergie? Daraus ließen sich nicht nur gezielte Weiterbildungen ableiten, sondern auch neue Verantwortlichkeiten: „HR ist in einer idealen Position, das Thema KI verantwortungsvoll zu steuern – auch ethisch“, sagt er. Gerade bei sensiblen Themen brauche es Transparenz, Dialog und klare Grenzen. „Wenn HR jetzt mutig experimentiert, neue Wege geht und Verantwortung übernimmt, kann daraus ein echtes Zukunftsmodell entstehen.“

Die Rolle von HR: Menschenzentriert durch Technologie

HR entwickelt sich längst weg von administrativer Zentrale hin zu einem menschlich-strategischen Sparringspartner. KI entlastet – aber sie ersetzt nicht die Fähigkeit, kulturelle Passung zu erkennen, Potenziale zu fördern oder Führungskräfte durch Transformation zu begleiten.

Genau darum geht es u. a. auch beim Future of Work Kongress 2025 von 21.-22. MaiMadeleine Bauer-Eder gibt in ihrem Vortrag „HR Tech Stack 2025+: Effizienter, strategischer, menschlicher – Die neue Rolle von HR“ konkrete Einblicke, wie Technologie HR transformiert – und dabei den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Franz Kühmayer, Trendexperte, Zukunftsforscher und Stratege, bringt mit seinem Impuls „Radikaler Optimismus: Die Superkraft in fordernden Zeiten“ eine neue Perspektive auf den Wandel, der Mut, Gestaltungskraft und einen positiven Blick nach vorne braucht.