...aber mit Niveau
Eine Glossar kuratierter HR-Buzzwords von Eva Planötscher, Leitung HR bei den Vereinigten Bühnen Wien.
Wer sich schon einmal durch ein Strategiepapier gewühlt, ein Transformation-Meeting überlebt oder den dritten Workshop zum Thema „Agiles Mindset“ durchgestanden hat, weiß: Die HR-Welt ist voll von schillernden Begriffen, die irgendwo zwischen Bullshit-Bingo und tiefgreifender Erkenntnis changieren.
Eva Planötscher – Vollblut-Personalistin, Tirolerin mit Haltung und Humor – hat sich diesen schillernden Sprachblasen angenommen. Mit 25 Jahren HR-Erfahrung, einer messerscharfen Beobachtungsgabe und einem feinen Gespür für (Selbst-)Ironie, präsentiert sie hier eine Auswahl der besten, absurdesten, inspirierendsten und manchmal schlicht unausweichlichen Begriffe aus dem HR-Kosmos.
Dieses Glossar ist eine Einladung zum Schmunzeln, Wiedererkennen und Weiterdenken. Viel Spaß beim Lesen – und keine Sorge: Es darf gelacht, aber auch ein bisschen geweint werden.
HR-Buzzwords:
Workfluencer
So werden Personen bezeichnet, die auf z.B. Tiktok und Linkedin über ihren Job, ihre Erfahrungen bei der Arbeit, persönliche Arbeitsanliegen und Themen wie Lohntransparenz und Diskriminierung posten.
Work Life Cut
Beschreibt die strikte Trennung von Arbeit und Privatleben. Es gibt also klare Grenzen von Arbeitszeit und Freizeit, d.h. im Feierabend, am Wochenende oder im Urlaub wird möglichst kein Gedanke an den Beruf verschwendet.
Damit steht der Work-Life-Cut im Kontrast zur Verschmelzung der Lebensbereiche ('Work-Life-Blending'), die in den letzten Jahren immer stärker vorangetrieben wurde. Durch Digitalisierung und neue Arbeitsmodelle kann immer und überall gearbeitet werden. Genau diese Überschneidungen soll verhindert werden.
Thought Leadership
Sie beeinflussen damit neben ihrem eigenen unter anderem auch das Image ihres Arbeitgebers.Bedeutet auf Deutsch „Gedankenführerschaft“ oder „Meinungsführung“. Dies bezeichnet einen inhaltsbasierten Ansatz der Selbstvermarktung von Personen und Unternehmen.
Ein Thought Leader (Vordenker:in, Meinungsführer:in) steht für eine hohe Expertise auf einem Gebiet und verkörpert gleichzeitig Innovation und Vision. Unternehmen und Personen versuchen sich vor allem über Content Marketing als Thought Leader zu vermarkten, um bei der Zielgruppe ein fundiertes Vertrauen aufzubauen. Das eigene fachliche Wissen wird ansprechend aufbereitet und verbreitet.
The Big Stay
The Big Stay beschreibt einen Trend in der Arbeitsmarkt Entwicklung. Während im Zuge der Coronakrise vor allem 2021 und 2022 von der „Great Resignation“ oder dem „Big Quit“ gesprochen wurde, weil Mitarbeitende in Rekordzahlen kündigten, zeigt der Trend nun in die andere Richtung.
„The Big Stay“ zeigt, dass Arbeitnehmende wieder zufriedener mit ihrem Job sind und planen länger im Unternehmen zu bleiben.
Sundac Scaries
Sunday Scaries bezeichnen den Zustand, der sich meist im Verlauf des Sonntags einschleicht. Die Gedanken an die kommende Arbeitswoche kommen immer öfter hoch, zu denen sich bevorstehende Meetings, Termine und To-dos gesellen. Bei einigen löst dieser Emotions-Cocktail Sunday Scaries aus, also eine Mischung aus Angst, Furcht, Frust und hohen Erwartungen an die bevorstehenden Arbeitstage. Sunday Scaries können sich etwa in Form von Schlafstörungen, Grübeln, Magenschmerzen oder mangelnder Energie zeigen.
Social Loafing
So bezeichnet man das wahrgenommene psychologische Phänomen, dass Teammitglieder in einem Gruppenumfeld weniger leisten und die individuelle Leistung weniger wertgeschätzt wird.
Der Effekt des sozialen Faulenzens besagt, dass Einzelpersonen nicht ihr Bestes geben, wenn sie als Teil einer Gruppe beurteilt werden.
Servant Leadership
Servant Leader zeichnen sich nicht durch Autorität, sondern Empathie und Wertschätzung für ihre Mitarbeiter aus. Sie geben Mitarbeiter:innen Raum zur Selbstorganisation und persönlichen Entfaltung. Dieser Führungsansatz ist besonders im agilen Umfeld beliebt.
Die Devise lautet: befähigen statt befehlen.
Servant Leader geben Anweisungen und die Richtung vor, verzichten jedoch auf einen Teil ihrer Entscheidungsmacht. Sie identifizieren individuelle Mitarbeiterbedürfnisse, inspirieren und motivieren schaffen Visionen für das Unternehmen.
Rainbow washing
Im Juni feiert die LGBTQIA+ Community den Pride-Month. Eines ihrer Kennzeichen ist die Regenbogenflagge, mit der sich dann viele Unternehmen schmücken. Sie versprechen sich davon Aufmerksamkeit und ein positives Image in der Öffentlichkeit. Das ist völlig in Ordnung, solange die Solidarität ernstgemeint ist und eine offene Gesellschaft auch im eigenen Haus gefördert wird. Wenn es sich nur um eine reine, nach außen gerichtete Marketing-Aktion handelt, liegt Rainbow Washing vor. Bekannt ist dieser Effekt aus dem Nachhaltigkeitsbereich, wo von Green Washing die Rede ist.
New Collar Workers
Früher gab es „Blue Collar Jobs“ und „White Collar Workers“.
Diese Einteilung reicht nicht mehr aus, um die Vielfalt der neuen Arbeitsmöglichkeiten durch den rasanten Fortschritt der Technologie zu erfassen. Stattdessen haben sich neue Berufe entwickelt, die eine Kombination aus analytischem Denken und technischen Fähigkeiten erfordern. Diese Arbeitskräfte werden als „New Collar Workers“ bezeichnet. Den Begriff prägte IBMs ehemalige CEO Ginni Rometty.
Für viele New-Collar Jobs wie Datenbankmanager, Cloud-Computing-Techniker und Co. Ist zwar eine Berufsausbildung notwendig, jedoch kein klassischer Hochschulabschluss. Die erforderlichen Fähigkeiten und Soft Skills können auch über nicht-traditionelle Bildungsmethoden wie bspw. Zertifizierungsprogramme, Praktika oder Online-Kurse entwickelt werden.
H2R
Der Hire-to-Retire-Prozess (H2R) umfasst den gesamten Lebenszyklus eines Mitarbeiters in einem Unternehmen, von der Einstellung bis zum Ausscheiden. Ziel ist es, den Lebenszyklus eines Mitarbeiters so zu gestalten, dass sowohl die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter als auch die strategischen Ziele des Unternehmens erfüllt werden.
Der H2R-Prozess spielt eine Schlüsselrolle bei der Sicherung und Weiterentwicklung der wichtigsten Ressource eines Unternehmens – seiner Mitarbeiter.
Ganzheitlicher Ansatz: Von der Rekrutierung über die Entwicklung bis zum Austritt wird jeder Schritt berücksichtigt, um eine positive Mitarbeitererfahrung zu schaffen.
Compliance: Der Prozess stellt sicher, dass alle arbeitsrechtlichen und organisatorischen Vorgaben eingehalten werden.
Future Workforce Design
Die strategische Gestaltung der zukünftigen Belegschaft ist ein wesentlicher Faktor, um rechtzeitig auf strukturelle und demografische Veränderungen vorbereitet zu sein. Um vor allem KI oder Robotik zu nutzen, müssen Organisationen die kritischen Skills ihrer Mitarbeiter überdenken. Ein Future Workforce Design unterstützt eine gezielte Planung der zukünftig benötigten Rollen und Qualifikationen und erleichtert die langfristige Anpassung an neue Marktanforderungen.
Crowdworking
Wird auch Crowdsourcing, Clickworking oder Plattformarbeit genannt. Dabei werden inhaltlich und zeitlich begrenzte Tätigkeiten über Onlineplattformen vergeben und somit akutem Fachkräftemangel, unerwarteten Krankenständen oder begrenzten Budgetkapazitäten entgegengewirkt. Diese moderne Arbeitsform ist für Betriebe jeder Größe interessant.
Coffee Badging
„Coffee Badging“ beschreibt eine Art Scheinanwesenheit von Angestellten. Hintergrund ist der Trend vieler Arbeitgeber, ihre Mitarbeitenden nach der Corona-Pandemie aus dem Homeoffice wieder zurück ins Büro zu holen.
Die Folge ist eine Art stille Gegenwehr: Coffee Badging. Die Mitarbeiter zeigen zwar die gewünschte Präsenz im Büro, stempeln ein, trinken Kaffee und nehmen vielleicht noch an ein, zwei Meetings teil. Danach aber verlassen Sie das Büro schnell wieder und kehren zurück ins Homeoffice.
Die Motivation dahinter ist die Möglichkeit, den Arbeitstag flexibel zu gestalten. Das ist für viele Arbeitnehmer, besonders in einer Zeit, in der die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben immer mehr verschwimmen, von großem Wert.
Career Cushioning
Das Phänomen kommt aus der Welt der Partnersuche. Man hält sich romantische Optionen offen, falls eine Beziehung nicht klappt. Jetzt hat der Begriff auch Einzug in die Terminologie der Arbeitswelt gefunden. Beim Career Cushioning geht es darum, sich präventiv für den Fall zu rüsten, dass der Arbeitsplatz in Gefahr ist. Das Wort kommt vom englischen Verb „cushioning“ = abfedern.
Kurz gesagt: Wenn Mitarbeiter:innen Career Cushioning betreiben, bedeutet dies meist, dass sie bereits (aktiv) über ihren nächsten Karriereschritt nachdenken. Das heißt nicht, dass sie beabsichtigen, Ihr Unternehmen zu verlassen, nur, dass sie einen Plan für den Fall haben möchten, dass ihr aktueller Job nicht funktioniert.
Bare Minimum Mondays
(Wieder) Ein neuer TikTok-Trend: #bareminimummondays. Ins Leben gerufen wurde der Trend von der Startup-Gründerin und Influencerin Marisa Jo Mayes. Was steckt dahinter? Am „Bare Minimum Monday“ soll maximal zwei bis drei Stunden produktiv gearbeitet wird. Der Rest steht für Selbstfürsorge und kreative Aufgaben zur Verfügung.
Das Konzept soll Stress reduzieren, kreatives Arbeiten ermöglichen und dabei helfen, den Montagsblues zu reduzieren und möglichst viel vom Schwung des Wochenendes mit in die neue Arbeitswoche zu nehmen.
Ambidextrie
Der Begriff der organisationalen Ambidextrie (wörtlich: „Beidhändigkeit“) bezeichnet die Fähigkeit von Organisationen bzw. Unternehmen, gleichermaßen sowohl effizient als auch innovativ bzw. flexibel zu sein, d.h. durch die Nutzung von zwei unterschiedlichen Vorgehensweisen mit den dynamischen und komplexen Umweltanforderungen und Entwicklungen am Markt umzugehen.
Dies bedeutet, zum einen durch Verbesserung und Effizienzsteigerung bestehende Prozesse zu optimieren (Exploitation) und zum anderen durch Experimentieren und flexibles Handeln neue Geschäftsbereiche zu erschließen (Exploration).
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