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Frauen in der IT Österreich

Tech Trendscout Kolumne

Tech Trendscout Kolumne von Lisa Höllbacher

Für alle, die mich noch nicht kennen: Ich bin Lisa, Tech-Trendscout bei LSZ und darüber hinaus auch selbstständige Tech-Unternehmerin und seit einiger Zeit in der österreichischen IT-Branche aktiv. Als Frau – und obendrein noch jung – gehöre ich zu einer vergleichsweise kleinen Gruppe: den Frauen, die sich tatsächlich mit komplexen Techthemen beschäftigen. In Vorträgen und Podiumsdiskussionen werde ich oft hofiert, aber das Gefühl bleibt, dass der Anlass dazu nicht immer meine fachliche Kompetenz ist, sondern eher mein Geschlecht. Und während ich auf der Bühne stehe und über Künstliche Intelligenz oder Datenstrategien referiere, frage ich mich insgeheim: Wo sind die anderen Frauen? Warum sehen wir nicht mehr Vielfalt in diesem hochinnovativen Umfeld?

Eine Einladung an alle – mehr Diversität als Chance

An dieser Stelle möchte ich betonen: Es geht nicht darum, irgendjemandem den Schwarzen Peter zuzuschieben. Das ist soll kein Männerbashing sein – denn das bringt uns nichts. Vielmehr ist es eine Einladung an uns alle, gemeinsam frische Perspektiven in eine Branche zu bringen, die von Natur aus auf Innovation und Weiterentwicklung setzt. Denn nur gemeinsam können wir die Zukunft gestalten. Diversität ist nicht nur ein gesellschaftlicher Auftrag, sondern auch ein handfester Wettbewerbsvorteil: Studien wie „Diversity Wins: How Inclusion Matters“ von McKinsey (2020) zeigen, dass Unternehmen mit einer höheren Diversität im Management-Team eine um bis zu 35 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen. Gerade in der IT-Branche kann eine größere Vielfalt an Perspektiven dazu beitragen, echte Innovationen hervorzubringen und schneller auf Marktherausforderungen zu reagieren.

Warum wir in Österreich mehr Vielfalt brauchen

Die österreichische IT-Landschaft wird nach wie vor von Männern in blauen Anzügen und weißen Sneakern dominiert. Das mag sympathisch wirken, ist aber auch ein Zeichen dafür, dass bestimmte Netzwerke seit Jahren nahezu unverändert bestehen. Neue Technologien wie KI eröffnen uns gerade jetzt die Möglichkeit, festgefahrene Strukturen aufzubrechen. Wir erleben eine gesellschaftliche Transition, die frische Perspektiven und andere Denkweisen dringend benötigt. Diversität in Teams – insbesondere in Entwicklung, Forschung und strategischer Ausrichtung – ist deshalb essenziell. Kreative Lösungen entstehen schließlich an den Schnittstellen verschiedener Disziplinen und Persönlichkeiten.

Ich selbst habe immer wieder beobachtet, dass Frauen in Tech-Projekten oft einen sehr pragmatischen, lösungsorientierten Blick mitbringen und Fragen stellen, die in rein männlich geprägten Teams untergehen können. Genau diese „anderen“ Fragen sind es, die Innovation anstoßen.

Wo hakt es noch?

In Österreich gibt es immer noch zu wenige weibliche Role Models in der IT. Trotz schneller technologischer Entwicklung dominiert ein konservatives Netzwerkdenken. Deals werden häufig hinter verschlossenen Türen abgeschlossen, zu denen Frauen selten Zugang haben. Und da setzt die eigentliche Herausforderung an: Wie erleichtern wir Frauen den Zugang zu diesen Netzwerken? Nicht als „buntes Aushängeschild“, sondern als gleichberechtigte Partnerinnen am Tisch, wo wichtige Entscheidungen fallen?

Potenzial Künstliche Intelligenz – und warum jetzt gehandelt werden muss

Die Welt der Künstlichen Intelligenz und des Deep Tech-Sektors ist bereit für mehr weibliches Engagement. KI ist mehr als nur ein Hype; sie verändert unsere Arbeits- und Lebenswelt grundlegend. Mit der Einführung neuer KI-Lösungen stehen wir genau jetzt an einem entscheidenden Punkt: Wie wollen wir in Zukunft arbeiten und leben? Welche Werte sollen uns leiten? In diesem Transformationsprozess sind vielfältige Denkansätze wichtiger denn je – und das gilt ausdrücklich für alle Geschlechter, Altersgruppen und kulturellen Hintergründe. Auch eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) legt nahe, dass vielfältige Teams bis zu 19 Prozent höhere Einnahmen durch Innovation erzielen können.

Konkrete Handlungsschritte für Führungskräfte

Damit Diversität nicht nur ein Schlagwort bleibt, sondern zur gelebten Praxis wird, können Führungskräfte gezielt aktiv werden:

  1. Gezielte Förderprogramme: Initiieren Sie Mentor:innen-Programme oder interne Schulungen, in denen Frauen und andere unterrepräsentierte Gruppen gezielt gefördert werden. Machen Sie den Nutzen dieser Programme für alle sichtbar, indem Sie Erfolge kommunizieren.
  2. Transparente Rekrutierungsprozesse: Achten Sie in Stellenausschreibungen auf inklusive Sprache und Objektivität. Stellen Sie sicher, dass Diversitätskriterien und -ziele fester Bestandteil Ihrer Personalstrategie sind.
  3. Offene Netzwerkstrukturen: Laden Sie aktiv zu informellen Runden ein, damit Entscheidungen und Deals nicht nur im „Inner Circle“ getroffen werden. Organisieren Sie Meetups oder Brown-Bag-Sessions, an denen alle teilnehmen können – unabhängig von Hierarchie oder Geschlecht.
  4. Vorhandene Netzwerke stärken: Nutzen Sie bestehende Initiativen wie „Women in ICT“ oder „Women in AI“. Schaffen Sie Gelegenheiten, in denen sich Teams fachlich austauschen können und bauen Sie Brücken zwischen verschiedenen Bereichen im Unternehmen.

Ein Miteinander für eine vielfältige IT-Zukunft

Es gibt unzählige Kolleg:innen, die sich aktiv für mehr Frauen in technischen Berufen einsetzen und damit die Entwicklung der IT-Landschaft positiv beeinflussen. Doch um nachhaltig etwas zu verändern, müssen wir die Strukturen öffnen, sodass Frauen nicht nur Konferenzbühnen besetzen, sondern auch strategische Entscheidungen im Unternehmen prägen. Wir brauchen alle, die sagen: „Ja, ich will und ich trau mich!“ – sei es als Gründerin, Entwicklerin, Projektmanagerin oder KI-Spezialistin.

Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, Initiativen für mehr Diversität wahrzunehmen und auszubauen. Denn die Transformation, in der wir uns gerade befinden, braucht unterschiedliche Perspektiven und ein Gemeinschaftsgefühl, das nicht nur in traditionellen Kreisen stattfindet. Es geht nicht um ein Gegeneinander, sondern ein Miteinander, um die IT-Landschaft in Österreich auf ein neues Level zu heben.

Zum Glück gibt es bereits viele Netzwerke, die uns dabei unterstützen, uns gegenseitig zu empowern, beispielsweise „Women in ICT“ oder „Women in AI“. Auch klassische Tech-Organisationen wie WeAreDevelopers haben mittlerweile spezielle Frauen-Förderprogramme gestartet. All das trägt dazu bei, die nötigen Skills zu vertiefen und Sichtbarkeit zu erhöhen.

Wenn wir alle an einem Strang ziehen – gemeinsam –, wird man in ein paar Jahren nicht mehr über eine „seltene Frauenquote“ in der IT sprechen, sondern Vielfalt als Selbstverständlichkeit erleben. Und genau das ist das Ziel: Wenn Vielfalt und Vernetzung nicht nur Schlagwörter sind, sondern Grundpfeiler eines innovativen und zukunftsfähigen Ökosystems.

Zusammen in die Zukunft schauen

Und an alle Führungskräfte und Kolleg:innen, die das hier lesen: Danke an jene, die schon heute Diversität fördern und leben. Wenn wir wirklich gemeinsam an einem Strang ziehen, ist die österreichische IT-Landschaft in ein paar Jahren kein Ort mehr, an dem Frauen oder andere Gruppen eine besondere Erscheinung sind, sondern ein Raum, in dem jede:r selbstbewusst dazugehört – egal ob im blauen Anzug, in Sneakers oder mit pinker Daten-Brille.

Die Zukunft der Technologie lebt von neuen Ideen – und diese Ideen kommen dann zum Tragen, wenn alle mitgestalten können. Noch existieren Barrieren, doch als Gesellschaft haben wir es in der Hand, sie abzubauen und Diversität aktiv zu fördern. So schaffen wir gemeinsam eine innovative Zukunft, die für alle offensteht.
In diesem Sinne: Stay curious, bleibt laut – und vor allem: Lasst uns das Ding gemeinsam gestalten!

Stimmen aus der Branche:

Stimmen aus der Branche
Foto v.l.n.r.: Gerlinde Macho ©MP2 , Julia Wieland ©NAVAX Unternehmensgruppe,  Anna Pölzl

 

"Als IT-Unternehmerin und VÖSI-Vorstand sind mir Diversität und Chancengerechtigkeit in der Branche ein zentrales Anliegen. Daher bin ich Mitbegründerin der Special Interest Group WOMENinICT im VÖSI Verband Österreichischer Software Innovationen und engagiere mich als WOMENinICT-Botschafterin unternehmens- und netzwerkübergreifend."
 
Gerlinde Macho, VÖSI-Vorstand & Unternehmensführung MP2 IT-Solutions

"Die IT-Branche braucht dringend mehr Diversität - nicht nur aus Fairnessgründen, sondern für echte Innovation. Ein weit verbreiteter Irrglaube hält viele Frauen davon ab, diesen Weg einzuschlagen: die Vorstellung, man müsse ein Programmier-Genie sein. Aber die Realität sieht anders aus: Die Technologiebranche bietet ein breites Spektrum an Rollen, die verschiedenste Fähigkeiten erfordern. Gerade im aufstrebenden Bereich der Künstlichen Intelligenz ist weibliche Perspektive unverzichtbar. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern und Frauen aktiv einbinden, riskieren wir, dass KI-Systeme bestehende Ungleichheiten nicht nur abbilden, sondern auf Jahrzehnte festschreiben. Das können und wollen wir uns nicht leisten."

Julia Wieland, Sales Manager NAVAX

"Diverse Teams sind nachweislich erfolgreicher – das ist keine Meinung, sondern Fakt. Die IT ist ein Schlüsselwerkzeug für die Zukunft, und um wirklich erfolgreich zu sein, müssen wir divers aufgestellt sein. Frauen in der IT sind nicht nur eine Frage der Fairness, sondern sondern der Zukunftssicherheit."

Anna Pölzl, Geschäftsführerin, Gründerin nista.io